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Michelle Obama vor der Rede ihres Mannes.

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Cleopatra and Nathaniel Pendleton, die Eltern der erschossenen Hadiya, in der Ehrenloge des Kongresses.

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Auch in Kabul war Obama zu sehen.

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Zum Schluss geht es um Hadiya Pendleton, das neueste Gesicht der Waffendebatte in den USA. Noch im Jänner war die 15-Jährige die Pennsylvania Avenue hinuntermarschiert, um mit der Blaskapelle ihrer High School die Amtseinführung des Präsidenten zu feiern. Eine Woche nach ihrem großen Auftritt in Washington wurde Hadiya am helllichten Tag in Chicago erschossen, in einem Park in der Nähe des Hyde-Park-Viertels, wo früher Barack Obama wohnte.

Nun sitzen Hadiyas Eltern, Nathaniel und Cleopatra, in der Ehrenloge des Kongresses. Als Obama in schlichten Worten an Hadiya erinnert, erheben sich die beiden schüchtern von ihren Plätzen. Abgeordnete applaudieren, verneigen sich, lassen ihre Anteilnahme spüren.

Feigengebäck habe Hadiya gemocht und Lip-Gloss, erzählt der Präsident. Ihre Eltern hätten gewiss eine Abstimmung über strengere Waffengesetze verdient, sagt er und zählt weitere Tiefpunkte des Flintenwahns auf: das Schulmassaker von Newtown, das Kino-Blutbad in Aurora, den Amokläufer von Tucson, der die Abgeordnete Gabrielle Giffords lebensgefährlich verletzte. Auch sie, die allmählich wieder in ganzen Sätzen spricht, wird mit stehenden Ovationen gefeiert. Die Waffendebatte. Ein sehr amerikanisches Ritual - emotionaler, als man es sich in europäischen Parlamenten vorstellen kann. Und die Ausnahme an diesem Abend. Den Rest seiner State of the Union Address widmet der Präsident seinem Arbeitsprogramm.

In nüchterner Prosa verkündet er die Aufnahme von Gesprächen über ein Freihandelsabkommen mit der EU - eine transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft, wie es in sperriger Beamtensprache heißt. Industrienormen sollen harmonisiert werden und nicht-tarifäre Barrieren verschwinden. Im Kontext Washingtoner Debatten dient dies zugleich als Beruhigungspille für die verunsicherten Europäer. Die hätten nach wie vor Gewicht, signalisiert Obama. Amerikas Schwenk nach Asien, die Hinwendung zur Pazifik-Region bedeute keine Abkehr von den alten Freunden.

Mit Russland will das Oval Office über eine Reduzierung von Atomsprengköpfen verhandeln. Zahlen nennt der Präsident nicht, auch keine einseitigen Schritte; ein Bericht der New York Times hatte Konkreteres erwarten lassen. Die Ayatollahs in Iran ermahnt er, es sei höchste Zeit für eine diplomatische Lösung des Atomstreits - und Nordkorea erinnert er nach dem dritten Nukleartest daran, dass es sich mit Provokationen nur noch mehr isoliert. Zum Rückzug aus Afghanistan bis Ende 2014 nennt er Zahlen: In zwölf Monaten sollen 34.000 US-Soldaten heimgekehrt sein, gut die Hälfte des Kontingents.

Dennoch: Auch diese Rede ist vor allem den heimischen Baustellen gewidmet. Obama spricht vom Klimawandel, von versandeten Initiativen zum Emissionshandel. Falls die Legislative nicht handle, werde die Exekutive strengere Regeln anordnen. Er spricht vom Reparieren 70.000 baufälliger Brücken und vom Comeback der Industrie, der Rückkehr von Caterpillar, Ford oder Apple aus längst nicht mehr so billigen Billiglohnländern wie China und Mexiko.

Drei Fragen für die USA

"Jeden Tag", sagt er "sollten wir uns drei Fragen stellen. Wie ziehen wir mehr Jobs an unsere Küsten? Wie statten wir unsere Menschen mit Qualifikation aus? Und wie sichern wir, dass harte Arbeit ein würdevolles Leben ermöglicht?" Eindringlich wirbt er dafür, den Mindestlohn um knapp zwei auf neun Dollar anzuheben. Als er dagegen den Abbau der Rekorddefizite erwähnt, klingt es eher wie rhetorische Pflicht. Amerika müsse investieren, statt sich kaputtzusparen. " Defizitreduzierung allein ist kein Wirtschaftsplan". Es ist die Passage, die in den Reihen der Opposition den stärksten Widerspruch hervorruft.

Marco Rubio, Sohn kubanischer Einwanderer, Senator in Florida und neuer Hoffnungsträger der Republikaner, wirft dem Spitzenmann der Demokraten in seiner Gegenrede vor, in Verkennung ur-amerikanischer Stärken auf den Staat zu bauen statt auf den freien Markt. Obamas Lösung für jedes Problem bestehe darin, "dass Washington stärker besteuert, mehr Geld borgt und mehr Geld ausgibt".  (Frank Herrmann, DER STANDARD, 14.2.2013)