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Macht der Zug am Joint dumm? Laut einer neuen Studie frisst Cannabis IQ-Punkte auf. Andere Forscher halten das für Humbug.

Foto: reuters/MARK BLINCH

Wien - Kiffende Kinder sind kein Klischee überbesorgter Eltern: Laut Schülerbefragungen haben 14 Prozent der 15-Jährigen und 27 Prozent der 17-Jährigen schon einmal Cannabis geraucht. In der Gruppe der jungen Erwachsenen verfügen sogar zwischen 33 und 50 Prozent über einschlägige Erfahrung, was aber noch nichts über die Frequenz des Konsums aussagt. Fragt man nach dem Genuss der letzten 30 Tage, sinkt die Quote um drei Viertel.

Wie gefährlich ist der Zug an Joints, die getrocknete Blätter (Marihuana) oder gepresstes Harz (Haschisch) der Hanfpflanze bergen? Unlängst platzte eine alarmierende Studie in die benebelte Seligkeit. Forscher hatten über 1000 Menschen von Geburt an bis ins 38. Lebensjahr begleitet und dabei den Cannabis-Konsum dokumentiert. Resultat: Wer sich schon in Jugendjahren einkiffte, büßte bis zum Erwachsenenalter Intelligenz ein. Zehn IQ-Punkte sollen im Schnitt verpufft sein.

Die Gegenexpertise ließ nicht lange auf sich warten: Demnach ist der Gripsverlust nicht mit einem neurotoxischen Effekt zu erklären, sondern mit der sozialen Realität der Testpersonen. Kids aus armen und "bildungsfernen" Schichten würden nicht nur häufiger zu Drogen greifen, sondern intellektuell auch weniger gefordert - was zur geistigen Erosion führe. Wenn Cannabis damit zu tun haben, dann deshalb, weil exzessive Konsumenten vorzeitig die Schule verlassen und arbeitslos werden.

Alfred Uhl vom Anton-Proksch-Zentrum für Suchtkranke schließt sich der Skepsis an und skizziert ein Henne-Ei-Problem: Hinter jeder Drogenproblem stünden persönliche Schwierigkeiten vielfältiger Art - deshalb sei mit derartigen Studien schwer abzuklären, ob das eine die Folge des anderen ist oder umgekehrt.

Natürlich liefen häufig eingerauchte Jugendliche Gefahr, den Anschluss an die reale Welt zu verlieren, sagt Uhl. Doch glücklicherweise testeten die meisten, wie in dem Alter üblich, einfach ihre Grenzen aus - und im Gegensatz zu den Alkoholkonsumenten gibt ein Großteil der Cannabisverbraucher den Konsum mit zunehmendem Alter endgültig auf.

Im Vergleich mit dem nachweislich nervenschädigenden Alkohol, den im Vergleich zu illegalen Drogen zehnmal mehr Menschen in problematischem Ausmaß konsumieren, warnt der Experte vor einer "Überdramatisierung" von Hasch und Gras, hält "völlige Verharmlosung", wie sie lange Zeit üblich gewesen sei, aber für ebenso wenig angebracht. "Es gibt klare Hinweise, dass Cannabis Psychosen auslösen kann", sagt Uhl, "doch das tun auch Alkohol, Ehekrisen und Weihnachten. Die Frage ist immer, unter welchen Konsumbedingungen und wie häufig derartige Probleme tatsächlich auftreten." (jo, DER STANDARD, 14.2.2013)