Grafik: Der Standard, Quelle: Credit Suisse, Elroy Dimsen, Paul Marsh, Mike Staunton

Wien - Österreich ist Rekordhalter. Denn schneller als die Schifahrer zuletzt bei der Weltmeisterschaft in Schladming talwärts fahren, ist es zwischen 1900 und 2012 mit den Kapitalmärkten bergab gegangen. Eine aktuelle Untersuchung von drei Forschern der London Business School für die Schweizer Großbank Credit Suisse zeigt: "Österreich hatte in den vergangenen 113 Jahren die niedrigsten realen Aktienrenditen von allen Ländern mit Daten von 1900 bis heute."

97 Jahre lang nichts verdient

Das jährlich erscheinende Jahrbuch zu den globalen Kapitalmärkten zeigt, dass Anleger mit kurzlaufenden Schuldpapieren wie täglich fälligem Geld in Österreich mehr als 99 Prozent ihres Vermögens verloren haben. Mit Aktien hat sich das Vermögen bis 2013 zwar verdoppelt. Doch 97 Jahre lang haben Anleger mit heimischen Aktien nichts verdient. Damit hinkt Österreich im internationalen Vergleich hinterher, belegt die Studie der britischen Forscher rund um Elroy Dimson, der auch den norwegischen Staatsfonds berät. Im Schnitt haben Anleger in den 25 untersuchten Länder seit 1900 fünf Prozent pro Jahr verdient - real, also nach Abzug der Inflation.

Österreichs düstere Kapitalmarkt-Geschichte sei ein Beleg dafür, dass Anleger manchmal ein "ganzes Leben lang warten müssen, damit sich eine Investition auszahlt", warnt etwa John Authors, Kolumnist und Kapitalmarktexperte der "Financial Times". Damit sei der Rat vieler Finanzexperten, dass Anleger mit ein wenig Geduld Kapitalverluste aussitzen können, fahrlässig.

Denn 1899 war Österreich noch für fünf Prozent der weltweiten Marktkapitalisierung verantwortlich. Doch der Zusammenbruch von Österreich-Ungarn 1918 und die darauf folgende Hyperinflation ließ diesen Anteil auf weniger als ein Prozent schmelzen.

Länderwetten mit Risiko

Eine Lehre aus den mehr als 100 Jahren Investment-Geschichte: Diversifikation, also die Streuung von Risiken, zahlt sich aus. Denn ein Portfolio mit Aktien aus allen Ländern der Welt bringt stabilere Erträge, weil einzelne Crashs, wie etwa Österreichs nach 1918, nicht so stark ins Gewicht fallen. Auch das Beispiel Japans zeigt, dass Wetten auf einzelne Länder schief gehen können. 1990 machte das Land mehr als 40 Prozent der globalen Marktkapitalisierung aus. Nach dem Platzen der Immobilienblase war Japan der schwächste Aktienmarkt und sein Anteil fiel auf acht Prozent.

Doch auch für die globalen Kapitalmärkte lässt das aktuelle Jahrbuch kaum optimistische Schlüsse zu. Denn die aktuell niedrigen Zinsen werden die Erträge mit Investitionen am Kapitalmarkt auf Jahre hin belasten, so die Forscher. Niedrige reale Zinssätze in der Gegenwart - als Folge der lockeren Geldpolitik - bedeuten niedrige Renditen in der Zukunft, bei Anleihen wie bei Aktien, so die Forscher: "Die Baby Boomers, die nun in Pension gehen, sind in einer Welt mit hohen Erträgen aufgewachsen. Aber jeder ist nun mit niedrigen Zinsen konfrontiert."

Unrealistische Erwartungen

Anleger können aus den vergangenen 113 Jahren Investmentgeschichte aber einige Daumenregeln ableiten, zeigt auch die Studie des Londoner Teams. Günstig bewertete Aktien (Kurs im Vergleich zu den Gewinnen niedrig) bringen langfristig mehr Rendite. Genauso verhält es sich mit Aktien von Unternehmen, die hohe Dividendenrenditen zahlen.

Insgesamt aber werden die künftigen Aktienrenditen nach Schätzungen der Credit Suisse nur halb so hoch sein wie im Schnitt seit 1950. Selbst professionelle Investoren wie Pensionsfonds würden diese Realität leugnen: "Viele Ertragserwartungen sind unrealistisch." Statt über sechs Prozent mit globalen Aktien seien knapp drei Prozent nach Inflation realistisch. Mit Anleiheninvestments sei weltweit knapp ein halbes Prozent jährlicher Rendite nach Inflation zu erwarten, so die aktuelle Schätzung. Doch in vielen Ländern, wie den USA, Großbritannien, Deutschland, Kanada und Japan kaufen sich Anleiheninvestoren bereits reale Verluste mit den Papieren ein.

Die Bäume werden daher künftig nicht in den Himmel wachsen. "Die hohen Aktienrenditen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren nicht normal", schließen die Londoner Forscher. (Lukas Sustala, DER STANDARD, 14.2.2013)