Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka-Bank: "Die Bankenwelt wird nicht mehr so sein, wie sie vor der Krise war."
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Standard: Letztes Jahr haben viele Institute ein Grexit-Szenario berechnet. Das scheint gebannt. Jetzt steht Großbritannien vor einem Referendum zum Austritt aus der EU. Ist das realistisch?

Kater: Ich glaube, das ist in der britischen Politik nicht geplant. Aber es gibt Eigendynamiken und es kann sein, dass das Referendum gegen Europa ausgeht. Meine Prognose ist, dass die Briten dabei bleiben. Für die Europäische Idee wäre ein Austritt eine sehr starke Veränderung. Damit würde eine neue politische Landkarte von Europa entstehen. Politisch würde England von Resteuropa weiterhin beeinflusst werden.

Standard: Das Vertrauen in Europa ist zurück. Der Euro steigt, die Zinsaufschläge sinken, die Länder können sich wieder am Kapitalmarkt refinanzieren. Ist damit die Finanzkrise vorbei?

Kater: Nein. Die Krise und mögliche Panikfaktoren sind eingedämmt. Die Probleme, die zur Krise geführt haben, gibt es nach wie vor. Dazu gehören zu hohe Schulden und zu hohe Kreditbestände, deren Qualität unklar ist. Das muss nicht heißen, dass es zu hohen Ausfällen kommt. Die Märkte brauchen das Vertrauen, dass nicht mehr viele Kredite ausfallen und das ist nicht gegeben. Historisch braucht es nach Kreditkrisen im Schnitt zehn Jahre, um das Vertrauen wieder aufzubauen. Wir haben fünf Jahre hinter uns. Die erste Halbzeit ist vorbei. Ich würde sagen: Punktesieg für die Politik. Sie hat es geschafft, eine Abwärtsspirale wie in den 1930er-Jahren zu verhindern. Wenn man in der Halbzeit führt, heißt das aber noch nicht, das man das Spiel gewinnt.

Standard: Wie steht es um die globale Wirtschaft?

Kater: Die Weltwirtschaft ist auf einen Wachstumspfad von fast vor der Krise zurück gekehrt. Das liegt zu einem großen Teil an den Schwellenländern, die sich viel schneller erholt haben. Damit fangen auch in Europa erste Wachstumspflänzchen an zu grünen. Wir haben zwar noch einen große Anfälligkeit für politische Schocks - ohne diesen könnte die Weltwirtschaft aber um drei, vier Prozent wachsen.

Standard: Als Probleme für 2013 nennen Sie Spanien mit der Bankenrettung, Zypern mit einem Schuldenschnitt oder die Wahlen in Italien. Was ist mit Griechenland? Zum Jahreswechsel war noch von einem massiven Schuldenschnitt die Rede, davon hört man jetzt nichts mehr ...

Kater: Das ist ganz schnell wieder untergegangen, weil Zypern aufgekommen ist. Ich glaube, es wird Erleichterungen bei der griechischen Schuldenlast geben, die man aber nicht mehr ' Schuldenschnitt' nennen wird. Eher 'allmähliches Nachlassen der Forderungen', also weitere Rücknahmen von Zinsforderungen. Das liegt auch daran, dass Griechenland gute Aussichten hat, bessere Zahlen zu liefern.

Standard: Oft heißt es, dass aus der Krise bisher nichts oder nur wenig gelernt wurde. Stimmt das Ihrer Ansicht nach zur Halbzeit?

Kater: Ich glaube, wir sind dabei zu lernen. Die Bankenwelt wird vollkommen umgekrempelt. Wir sehen das an der Diskussion über Trennbanken. Wir sehen das an den personellen Anpassungen, wir hören jede Woche von neuen Abbauprogrammen in internationalen Banken. Wer die Regulierungslandschaft verfolgt, der sieht, dass selbst die Briten harte Regeln gegenüber ihren Banken umsetzen. Da tut sich sehr viel. Die Bankenwelt wird alles andere als so sein wie zuvor. Das wird auch dazu führen, dass das Bankensystem sicherer wird. Das heißt aber nicht, dass die Welt sicherer wird. Man muss immer wachsam sein. (Bettina Pfluger, DER STANDARD, 14.2.2013)