Nur Mut! Pädagogin Andrea Vanek-Gullner bittet um positive Erfahrungsberichte mit LehrerInnen. Schicken Sie ein E-Mail an bildung@derStandard.at!

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Was machen Menschen, wenn Ihnen der Gesprächsstoff ausgeht? Sie reden übers Wetter oder lästern über Lehrer.

Vor allem Letzteres verspricht durchschlagenden Erfolg. Einfach das Thema "Arbeitszeiten für Lehrer" wie ein Ass beim Kartenspiel ausspielen, schon hat man alle Trümpfe in der Hand. Eine Welle der Begeisterung wird die Menge rasch in Partystimmung versetzen.

Kalt und schlecht

Mir wird als Zeugin einer solchen Szene meist kalt und schlecht zugleich. Kalt deshalb, weil ich mich wie in einer Höhle fühle, zurückversetzt in die Antike, als in Platons Höhlengleichnis gefesselte Menschen mit angebundenem Kopf Wettbewerbe über vorbeiziehende Schatten veranstalteten und dachten, sie seien an der Wahrheit.

Und mir drängt sich die Frage auf, wer von den Wetternden denn Ahnung hat vom Licht. Wer weiß schon wirklich, was sich an unseren Schulen tut?

Wenn ich sage, dass meine Kinder tolle Lehrer haben, dann tue ich das nicht, weil ich allmählich zu einer schleimspurnachziehenden Schnecke mutiere. Auch nicht deshalb, weil meine Kinder eine Eliteschule besuchen (meine Kinder besuchen eine geradezu herrlich normale und dadurch für mich sehr besondere Volksschule). Sondern ich sage es allein deshalb, weil ich das System Schule kenne. Ich weiß, was es bedeutet, Lehrer zu sein.

Bedürfnisse von 25 Heranwachsenden befriedigen

Und wenn eines meiner Kinder nachmittags auch nur halbwegs zufrieden heimkehrt, gehe ich beruhigt davon aus, dass in der Schule meines Kindes ein Wunderwuzzi am Werk war, der es geschafft hat, an einem Vormittag meinem Kind das Gefühl zu geben, nicht benachteiligt zu sein oder ungerecht behandelt zu werden, ihm auch noch etwas beigebracht hat und mindestens zehn aufkeimende Streitereien im Vorfeld bereinigt oder mit den Kids gelöst hat.

Apropos: Ich nehme an, die NichtlehrerInnen unter Ihnen würden es locker schaffen, die Bedürfnisse von 25 Heranwachsenden zu befriedigen, ihnen das Gefühl zu geben, ihrer Individualität gerecht zu werden, ganz nebenbei eine gehörige Portion Lerninhalte aus dem Handgelenk zu schütteln und dabei auch noch Heiterkeit und Elan zu versprühen ... Es ist ein starkes Stück, zugegeben, das uns LehrerInnen alles abverlangt, und manchmal würden wir auch gern nur einmal für fünf Minuten raus aus der Situation, um wenigstens kurz zur Ruhe zu kommen. Nur: Sorry, geht leider nicht, die Aufsichtspflicht ruft zur Ordnung. Aber die nächste Pause kommt bestimmt, in der wir dann auch wieder festhängen, weil uns einer unserer Lieblinge etwas Wichtiges zu sagen hat.

Zurück zum Höhlengleichnis: Während unserer Schulzeit war es Aufgabe unserer Eltern und Lehrpersonen, uns loszubinden, unseren Blick zu wenden - uns zu zeigen, dass die Schatten bloß Schatten sind. Und nun, ein paar Jährchen später, liegt es an uns, aufzustehen und uns umzudrehen. Nun tragen wir, jeder von uns, die Verantwortung.

Schreiben Sie mir!

Liebe Eltern, liebe Menschen, wissen Sie eigentlich, was sich an unseren Schulen Tolles tut? Haben Sie sich wirklich umgesehen, sich mit LehrerInnen eingelassen auf den Dialog, oder gleichen Sie eher dem in der Höhle Angebundenen, der weder nach links noch rechts blicken kann und die vorbeiziehenden Schatten für das Wahre hält?

Die Mutigen von Ihnen binden sich los, wenden den Kopf, stehen auf, halten das Licht an unseren Schulen aus. Und schreiben darüber. Hier und jetzt. (Andrea Vanek-Gullner, derStandard.at, 13.2.2013)