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Kardinal Schönborn (li.) hat den Papst erst vor wenigen Tagen gesehen: Er wirkte "geistig frisch, körperlich aber sehr zerbrechlich", sagt er.

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Kurt Appel (44) ist Professor für Fundamentaltheologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Uni Wien.

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Mit Appel sprach Saskia Jungnikl.

Standard: Papst Benedikt legt sein Amt nieder. Darf er das denn?

Appel: Natürlich, dafür ist sogar im Kirchenrecht Vorsorge getroffen, niedergelegt im Kanon 332. Der Papst kann das frei machen, es muss niemand akzeptieren. Aber der Rücktritt muss aus freiem Willen stattfinden und er muss vor einer gewissen Öffentlichkeit bekannt gegeben werden.

Standard: Wenn es so einfach ist, wieso kommt es dann nie vor?

Appel: Der letzte Papst, der zurückgetreten ist, war Gregor XII. im Jahr 1415. Vorher gab es Coeles - tin V., außerdem noch Silverius, der ebenfalls zurückgetreten ist. Aber es passiert sehr selten. Das wurde in der Neuzeit noch schwieriger, weil ab da der Papst eine überragende Stellung in der katholischen Kirche innehatte. Es kann zu Problemen führen, wenn sich der Vorgänger in die Arbeit des Nachfolgers einmischt. Bis in die 60er-Jahre sind Bischöfe fast nie zurückgetreten – aber damals lag die Lebenserwartung nur bei 70 Jahren. Paul VI. hat dann festgelegt, dass Bischöfe ihr Amt mit 75 zurücklegen müssen.

Standard: Könnte es eine solche Diskussion jetzt für Päpste geben?

Appel: Das ist unwahrscheinlich, weil es eine spezielle Konstruktion in der katholischen Kirche ist, wonach der Papst über dem Kirchenrecht steht. Aber natürlich werden auch Päpste immer älter. Es ist möglich, dass sich nun eine Rücktrittskultur entwickelt, und künftig Päpste im Alter von 75 bis 80 ihr Amt zur Verfügung stellen. Ich glaube, es war auch ein Hauptmotiv von Ratzinger, hier einen Anstoß zu liefern.

Standard: Wie geht es jetzt weiter?

Appel: Ratzinger tritt am 28. Februar zurück. Zwei bis drei Wochen später muss es einen neuen Papst geben.

Standard: Wer ist inzwischen Oberhaupt?

Appel: Für die wirtschaftlichen Angelegenheiten ist der päpstliche Kämmerer zuständig. Wichtiger ist aber der Dekan des Kardinalskollegiums, Angelo Sodano, der die Wahl vorbereitet.

Standard: Wie stehen diesmal die Chancen für einen Papst aus Afrika oder Lateinamerika?

Appel: Schon beim letzten Konklave wurde ein geeigneter Kandidat aus diesen Kontinenten gesucht – damals war aber nur zwei Wochen Zeit und es wurde niemand gefunden. Diesmal sind es vier Wochen, und da kann man sich im Kardinalskollegium schon kennenlernen. Das erhöht die Chancen. Allerdings gibt es wenig profilierte Leute. Wenn, dann eher noch aus Afrika.

Standard: Welche Namen sind im engeren Kreis?

Appel: Stark ist Angelo Scola, Erzbischof von Mailand, immer wieder genannt wird auch Marc Ouellet, Präfekt der Bischofskongregation.

Standard: Wird Benedikt XVI. Einfluss auf die Wahl seines Nachfolgers haben?

Appel: Nein. Er wird nicht in das Kardinalskollegium aufgenommen oder eingeladen werden.

Standard: Was wird Benedikt XVI. nach seinem Rücktritt machen?

Appel: Ratzinger wird sich nach Castel Gandolfo in den Sommersitz der Päpste zurückziehen. Im Vatikan soll ein Kloster umgebaut werden, dort wird er dann bleiben.

Standard: Wird er seinen Nachfolger beraten?

Appel: Ratzinger wird darauf achten, dass er sich hier nicht einbringt. Er wird auch nichts mehr veröffentlichen.

Standard: Wie viel Macht hat der Papst heutzutage noch?

Appel: Der Papst hat alle Vollmacht. De facto ist er der Schrift und der Tradition verpflichtet. Der Vatikan ist in diesem Sinne eine absolute Monarchie.

Standard: Wie überraschend kam der Rücktritt?

Appel: Vor ein paar Monaten hat er das Grab von Coelestin besucht, er hat auch öfters erklärt, dass er zurücktreten wird, wenn seine Kräfte nicht mehr ausreichen werden.  (DER STANDARD, 12.2.2013)