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Merkel (l.) und Schavan galten bisher als enge Verbündete.

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Johanna Wanka übernimmt.

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Berlin - Nach anfänglichem Zögern hat die deutsche Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) die Konsequenzen aus der Plagiatsaffäre um ihre Doktorarbeit gezogen und ist zurückgetreten. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte am Samstag in Beisein Schavans, sie habe deren Rücktrittsgesuch "mit sehr schwerem Herzen" angenommen. Als Nachfolgerin benannte die Kanzlerin die niedersächsische Wissenschaftsministerin Johanna Wanka, die wegen der Wahlniederlage von Schwarz-Gelb in Hannover aus dem Amts scheidet. Sie soll am Donnerstag von Bundespräsident Joachim Gauck die Ernennungsurkunde erhalten.

Politiker von SPD, Grünen und Linken werteten Schavans Rücktritt als politisch überfällig, bekundeten aber auch Wertschätzung für ihre Amtsführung. Für die Regierung und Kanzlerin Merkel sei das ein schlechter Start ins Wahljahr 2013.

Die Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf hatte Schavan den Doktortitel am Dienstag mit der Begründung aberkannt, die Politikerin habe bei ihrer Dissertation vor 33 Jahren "systematisch und vorsätzlich" fremde Texte genutzt, ohne sie vorschriftsgemäß zu kennzeichnen. Schavan, die zum Zeitpunkt der Entscheidung dienstlich in Südafrika unterwegs war, hat Klage dagegen angekündigt.

Schavan weist Vorwürfe weiter zurück

Auch bei ihrem letzten Auftritt als Bundesministerin wies Schavan die Vorwürfe nochmals in Bausch und Bogen zurück. "Ich habe in meiner Dissertation weder abgeschrieben noch getäuscht", sagte sie und wiederholte ihre Klageabsicht. Die Vorwürfe träfen sie tief. Schavan räumte aber ein, wenn eine Forschungsministerin gegen eine Universität klage, sei dies mit Belastungen für das Amt, die Regierung und auch die Partei verbunden. "Und das genau möchte ich vermeiden", sagte sie. Der Kanzlerin dankte Schavan sehr persönlich für Vertrauen und Freundschaft. "Freundschaft hängt nicht an Amtszeiten und wirkt über diesen Tag hinaus."

Für Merkel stellt der Rücktritt Schavans nicht nur einen politischen, sondern auch persönlichen Verlust dar - war diese doch eine ihrer engsten Vertrauten. Merkel nannte Schavan die wohl profilierteste Forschungspolitikerin im Lande, die in ihrem Amt Außerordentliches geleistet habe. Mit ihrer Entscheidung habe Schavan ihr eigenes persönliches Wohl hinter das Gemeinwohl gestellt. "Diese Haltung macht Annette Schavan aus." Merkel machte deutlich, dass deren Rücktritt sie auch persönlich schmerzt. Zu den Plagiatsvorwürfen und dem Entzug des Doktortitels sagte die Kanzlerin kein Wort.

In einer kurzen Erklärung benannte Merkel die Mathematikerin Wanka als Bundesforschungsministerin. Der fünfte Wechsel im schwarz-gelben Kabinett soll am Donnerstag vollzogen werden. Die Professorin Wanka kann, wie ihre Vorgängerin, auf eine langjährige Erfahrung als Wissenschafts- und Kulturministerin zurückgreifen. In Brandenburg hatte sie dieses Amt von 2000 bis 2009 inne, in Niedersachsen seit April 2010. Sie dankte der Kanzlerin kurz für das in sie gesetzte Vertrauen und würdigte Schavans Leistung im Amt.

Umfrage: Schaden für Merkel

Eine Mehrheit der Deutschen ist unterdessen einer Umfrage zufolge der Meinung, dass Bundeskanzlerin Merkel und der Union durch die Plagiatsaffäre ein Schaden entstanden ist. Wie die "Bild am Sonntag" laut Vorabbericht meldete, sehen 62 Prozent der Bundesbürger nach einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid einen Nachteil für Partei und Kanzlerin. 31 Prozent der Befragten erkannten keinen Schaden. Bei den Unionsanhängern fällt das Urteil der Umfrage zufolge noch deutlicher aus. Für 68 Prozent stelle die Affäre ein Makel dar, für 28 Prozent nicht.

Wie die Umfrage weiter ergab, sind 54 Prozent davon überzeugt, dass Schavan getäuscht habe. 36 Prozent halten die Unschuldsbeteuerungen der Ex-Ministerin dagegen für wahr. Auch bei den Unionsanhängern glaubt eine Mehrheit von 51 Prozent Schavan nicht, 46 Prozent halten die CDU-Politikerin hingegen für unschuldig. Emnid befragte den Angaben nach 505 Bürger am vergangenen Donnerstag.

Die Stimmungslage der Deutschen schlug sich der Zeitung zufolge bereits im Sonntagstrend nieder: Die Union büßte in der Wählergunst einen Punkt auf 40 Prozent ein. Die Grünen legten demnach einen Prozentpunkt zu auf 15 Prozent. SPD und Linkspartei blieben unverändert, ebenso FDP und Piratenpartei. Emnid erhebt den Sonntagstrend wöchentlich im Auftrag der "Bild am Sonntag". (Reuters/APA, 10.2.2013)