Ossi bettelt nicht, er schnorrt - ein sprachlicher Kniff wegen des Bettelverbots in Linz. Von dem Geld kauft der Punk Zigaretten und Wodka.

Foto: Der Standard/Hermann Wakolbinger

Linz - Als kleiner Junge wollte er Vulkanologe werden. Er sei von der Größe, der Hitze und der Lava fasziniert gewesen, habe alles über Vulkane gelesen und sich stundenlang Bilder davon ansehen können. In dieser Zeit müsse es gewesen sein, dass seine Mutter seinen Onkel bat, " dem Kleinen mal gescheite Musik zu zeigen", die "Toten Hosen" und so was. Damals, sagt Ossi, wie sich der gebürtige Thüringer nennt, sei ihm zum ersten Mal bewusst geworden: Er ist ein Punk.

Der Punk auf Facebook

Heute ist Ossi 23 Jahre alt. Er trägt Springerstiefel mit bunten Senkeln, weite Lederjacke, eine Büroklammer im Ohr und die "Ideologie im Herzen". In der Gemeinschaft der Linzer Punks ist er einer der wenigen, die die alten Werte noch leben. "Jeder ist heute Kommerz, jeder Kapitalist, auch meine Kollegen", sagt Ossi. Der Obdachlose ist seit einiger Zeit auf Facebook aktiv, in Jugendeinrichtungen hat er Internetzugang. Er habe nun mehrfach versucht, Projekte übers Netz zu starten. Gescheitert sei es bislang immer an den anderen. Denn die würden zwar "groß das Maul aufreißen", aber schlussendlich nichts auf die Beine stellen wollen.

Nachts schläft Ossi derzeit unter einer Autobahnbrücke in Linz. Eine Matte, ein Schlafsack. Wenn es richtig kalt wird, bläst er seinen warmen Atem unter die Hülle. Kalt sei ihm nie. Das Leben auf der Straße habe ihn abgehärtet, sodass er auch mit Krankheiten kein Problem habe. Wenn ihm etwas wehtue, dann wegen Schlägereien. Vor ein paar Nächten hat er durch einen Faustschlag einen Zahn verloren und eine dicke Lippe kassiert.

Gewalt als Lebensbestandteil

Gewalt ist überhaupt ein großes Thema, sie sei "schon immer Bestandteil seines Lebens" gewesen. Nicht im "guten Elternhaus", aber durch das Leben, das er sich selbst ausgesucht habe. "Falsche Leute, falsche Szenen" - mit siebzehn ist er von zu Hause abgehauen, danach ein paar Stationen in München und Innsbruck. Wegen "zu viel saufen und zu oft zuschlagen" ist er aus mehreren Männerwohnheimen geflogen. Leumundszeugnis: "schwere Körperverletzung an einem Polizeibeamten", " Widerstand gegen die Staatsgewalt".

Worum es geht

Am Ende landete der gelernte KFZ-Mechaniker auf den Straßen von Linz. Dort, wo er sich eine aktive Punkszene erhoffte, doch schnell erkennen musste, dass sie sich verändert hatte: Weniger Ideologen wie er, mehr Saufen, Drogen - und Party. "Pubertäre Phasenpunks" hält er für " Kiddy-Scheiße", aber auf der Straße müsse man nicht leben, um Punk zu sein. Es gehe um die Auflehnung gegen den Staat, die Demokratie, die auch nur eine "Diktatur durch viele" sei; es gehe nicht um Freibier, sondern günstige Wohnungen und Sozialleistungen - das wüssten nur die wenigsten noch.

Ossi will sein Leben nun wieder auf die Reihe bekommen, der Krankenhausaufenthalt ohne Versicherung habe ihm die Augen geöffnet - AMS, Wohnheim, das volle Programm. Optisch wolle er aber "definitiv der Alte bleiben"; nächste Woche würden ihm seine "Kollegen" wieder die Haare machen, also Seiten scheren, "Iro" stutzen, färben - auf " Vulkanrot". (Katharina Mittelstaedt, DER STANDARD, 9./10.2.2013)