Vor ein paar Tagen war ich beim Friseur. Mein Friseur ist keiner dieser superhippen Nobelfigaros, bei denen der Chef Creative Director heißt und das Geschäftslokal ausschaut wie ein Flugzeughangar, sondern die Filiale einer Friseurkette. In der Kettenfiliale, die ich gewöhnlich aufsuche, herrscht beim Personal ein ständiges Kommen und Gehen, daher werde ich buchstäblich bei jedem einzelnen Friseurbesuch von einer funkelnagelneuen Friseuse und ihrem ganz speziellen Schneidestil überrascht.

Die letzte Friseuse hatte die Angewohnheit, gleich mehrfach beim Schnippeln an den höher gelegenen Stellen meiner Schädelkalotte prüfend in ihre Achselhöhle zu riechen: schnipp, schnipp, riech, riech. Eine sehr praktisch veranlagte Dame. Wenn man eh schon beruflich die Arme heben muss, spricht rein gar nichts dagegen, zwischendurch Probe zu wittern, ob das Deo auch hält, was es versprochen hat. Zum Glück gab es weder von ihr noch von mir etwas olfaktorisch zu beanstanden, sodass der Haarschnitt zu unser beider Zufriedenheit verlief.

Der kurze Achselschnüffler ist ja nur eines von vielen Mitteln der körperlichen Autoexamination. Beliebt ist auch (besonders bei KHG und Harald Glööckler) der Blick in den Spiegel, mit dem man sich versichern kann, dass man immer noch der schönste Mann der Welt ist.

Wem das alles aber viel zu altbacken ist, der sollte sich für jene verschärfte zeitgenössische Variante der professionellen Selbstbeobachtung entscheiden, die unter dem Titel Quantified Self firmiert. Was damit gemeint ist? Nun, das ist ein Begriff für die immer populärer werdende Mode, seine Vitalwerte konstant mit modernen Apparaturen in Echtzeit zu überwachen und nachzuschauen, ob im Körperinnern auch alles mit rechten Dingen zugeht. In Deutschland gibt es angeblich schon etliche Quantified-Self-Fanclubs, in denen man gemeinsam der Ganzkörpervermessenheit huldigt.

Schade, dass sich die Sache in Österreich noch nicht so richtig durchgesetzt hat. Anwendungsgebiete gäbe es ja: im Gasthaus kurz nachschauen, ob der Blutzucker nach der sechsten Palatschinke noch im grünen Bereich ist, und beim Heurigen einen schnellen Blick darauf werfen, welchen Schabernack die Leberwerte nach dem fünften Viertel treiben. Hoffentlich geht einem dann beim Blick auf die Skala nicht das Geimpfte auf.  (Christoph Winder, Album, DER STANDARD, 9./10.2.2013)