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Das hochprofessionell durchgeführte Kanueisrennen der Frankokanadier wirkt wie ein Faschingsscherz: In den verschneiten Altstadtgassen von Québec müssen sich die Teilnehmer mit ihren Booten qualifizieren, dann geht es - laufend, paddelnd und fluchend - vom einen Ufer des Sankt-Lorenz-Flusses zum anderen.

Foto: Michel Emond/Demotix/Corbis

Anreise & Unterkunft

Flug von Wien nach Québec-Stadt zum Beispiel mit Lufthansa oder Air Canada mit einem oder zwei Zwischenstopps; Unterkunft: Direkt am Hafen liegt das Luxushotel Saint Antoine;

Weitere Québec-Infos: carnaval.qc.ca oder www.canada.travel

Grafik: DER STANDARD

Von oben wirken die Kanus wie Rieseninsekten, die mit flinken Beinchen durch ein Labyrinth aus Eisschollen krabbeln. Auf Kommando schwingt jeder Sportler ein Bein ins eiskalte Wasser und schiebt das Boot vorbei an den Schollen. Bald zieht sich ein Band aus fünfzig Kanus über den mächtigen Sankt-Lorenz-Strom in der kanadischen Provinz Québec. Jedes Jahr im Februar wird dieses Rennen auf Eis, Schnee und Wasser ausgetragen.

Es gehört wie der Eisbildhauerbewerb, Skijöring und Hundeschlittenrennen zum Fasching und hat lange Tradition in der gleichnamigen Weltkulturerbe-Stadt Québec. Das erste große Winterfest feierte man im Jahr 1894, um die Menschen im Osten Kanadas auch bei strengem Frost vor die Tür zu locken. Nach den beiden Weltkriegen wurde es 1954 im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs wiedergeboren. Aus dieser Zeit stammt auch der Bonhomme de neige, ein Schneemann mit bunter Schärpe, der rasch zum Maskottchen avancierte. Wenn er vor seinen Eispalast tritt, warten die unverkleideten Besucher bereits in langen Schlangen, um sich mit ihm fotografieren zu lassen. Anschließend fahren sie Riesenrad oder mit Schlauchbooten kreischend die verschneiten Hügel hinunter.

Jessie Armand, ein stoppelblonder Québecois, hockt noch unter seinem Riesenfrosch, der frech die Zunge herausstreckt. Mit einer gezahnten Schaufel kratzt er an dessen Bein - es ist die letzte Kosmetik für sein Kunstwerk French Kiss. Schon morgen wird die Jury Preise für die besten Eisskulpturen verleihen. "Ich wollte einmal etwas machen, das jeder erkennt", sagt Armand, der sonst als Airbrushkünstler mit Spritzpistole und Luftdruckpinsel wilde Muster auf Wände schießt. Dann kriecht er unter dem Frosch hervor und nimmt einen Schluck hochprozentigen Caribou - eine Mischung aus Cognac und Rotwein -, der im Fasching aus einem Gehstock getrunken wird.

Die Stadt Québec scheint viel für Künstler übrig zu haben. Das wird offensichtlich, wenn man mit dem Aufzug vom Flussufer in die Oberstadt fährt. Dort reihen sich unzählige Ateliers und Werkstätten mit kunstvollen Interieurs aneinander. Irgendwann steht man schließlich auf dem Königsplatz mit seinen trutzigen Natursteinhäusern und der Siegeskirche. Hier wurde die Verhaftungsszene aus dem Kinofilm Catch me if you can mit Leonardo di Caprio als Hochstapler Abagnale gedreht, die eigentlich im französischen Montrichard spielt. Ein paar Schritte weiter prangt an einer Hauswand ein Gemälde mit einer Straßenszene aus dem 12. Jahrhundert. Die Akteure darauf sind durchwegs Musiker, Schauspieler und Dichter aus der Provinz Québec.

Gilles Vigneault, einer der bekannteren lebenden Künstler aus dem französischsprachigen Teil Kanadas, vereint alle drei dieser Berufe. Über seine Heimat singt er: "Mein Land ist kein Land, mein Land ist der Winter." Und tatsächlich: Von November bis April steckt die ganze Provinz, die fast achtzehnmal so groß ist wie Österreich, tief im Weiß. Dabei scheint irgendwann auch die Sprache eingefroren zu sein. Geblieben ist ein Französisch mit einem etwas altertümlichen Dialekt. "Als ich herkam, habe ich anfangs gar nichts verstanden", sagt Ingrid Lemm.

Die Deutsche arbeitet im Hotel Saint Antoine am alten Hafen, das der alteingesessenen Walliser Familie Price gehört. Das Haus ist gleichzeitig eine der bedeutendsten archäologischen Stätten von Québec, denn früher verlief hier die Festungsmauer, deren Reste in der Lobby zu sehen sind. Bei Ausgrabungen fand man mehr als 5000 Gegenstände wie Löffel, Tontöpfe und Schüsseln. "Alles echt, wir mussten kaum zusätzliche Deko für die Lobby kaufen", scherzt Lemm. Auf der Couch nebenan plaudern drei Generationen der Familie Price. Vater und Sohn wirken etwas abgekämpft, denn wie alle, die hier etwas auf sich halten, kommen sie vom Kanueisrennen. Die Oma ist stolz - ihr Enkel hat den fünften Platz gemacht. (Monika Hippe, Rondo, DER STANDARD, 8.2.2013)