Heidelberg - Besonders aggressive Hirntumore bilden verstärkt einen Botenstoff, der dem Umweltgift Dioxin ähnelt. Damit kurbeln sie ihr weiteres Wachstum an und schwächen das Immunsystem. Für diese Entdeckung ist Michael Platten, Neuroonkologe am Universitätsklinikum Heidelberg, nun von der Medizinischen Hochschule Hannover ausgezeichnet worden.

Gliome sind die häufigsten und bösartigsten Hirntumore bei Erwachsenen - etwa 75 Prozent davon gelten als besonders aggressiv. Die durchschnittliche Lebenserwartung der Betroffenen beträgt acht Monate bis zwei Jahre. Als Standardtherapie gilt die möglichst vollständige Entfernung des Tumors, gefolgt von einer Strahlenbehandlung - meist in Kombination mit Chemotherapie. Dennoch sind die Resultate unbefriedigend, da der Tumor eine hohe Widerstandskraft besitzt und frühzeitig nachwächst.

Stoffwechselprodukt wirkt in Tumorzellen wie Dioxin

Michael Platten und sein Forscherteam stießen in Tumorzellen auf das Molekül Kynurenin. Es entsteht, wenn die Aminosäure Tryptophan – ein stetig im Körper vorhandener Bestandteil von Eiweißen – auf bestimmte Weise abgebaut wird. "Besonders Krebszellen von Patienten mit sehr schnell wachsendem Gliom bilden verstärkt Kynurenin", erklärt Platten. 

Die Forscher fanden in den Tumorzellen sowohl das Eiweiß, das Tryptophan in Kyrunenin umwandelt, als auch den Interaktionspartner, der für die schädliche Wirkung des Abbauprodukts eine entscheidende Rolle spielt: Kynurenin aktiviert den sogenannten Dioxinrezeptor (Aryl-Hydrocarbon-Rezeptor) und setzt eine Kettenreaktion in Gang, die das Tumorwachstum weiter fördert.

Bislang war nur bekannt, dass der Rezeptor durch Umweltgifte wie das krebserregende Dioxin, aktiviert wird. Welche Rolle er in gesunden Körperzellen spielt, ist nicht bekannt. "Kynurenin scheint ganz ähnliche Auswirkungen zu haben wie Dioxin, nur dass es vom Körper selbst gebildet wird“, so Platten. Nun sucht das Team nach Möglichkeiten, diesen neu entdeckten Stoffwechselweg zu blockieren und damit das Tumorwachstum zu verlangsamen. (red, derStandard.at, 6.2.2013)

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