Bagdad/Wien - Im Mai letzten Jahres hat der Iran während des umstrittenen Eurovision Song Contests 2012 in Baku seinen Botschafter abgezogen - weil Aserbaidschan Gastgeber einer angeblich "bösen westlichen Musikveranstaltung" sei. Was auf den ersten Blick absurd und lächerlich klingt, hat für Musiker im Iran einen bitterernsten Hintergrund.

Ganz ähnlich sieht die Situation im benachbarten Irak aus: Eine Death-Metal-Band musste jüngst nach den Aufnahmen für die Fernsehsendung ZDF Kulturpalast monatelang untertauchen, um nicht von religiösen Fanatikern gefunden zu werden. Teilweise werden sie mit dem Tode bedroht - einzig aus dem Grund, weil sie Musik machen. Für radikale Islamisten ist jegliche Musik Sünde, und Metal-Musik gilt erst recht als reines Teufelszeug.

Mit verpixeltem Gesicht erklärt einer der Musiker vor der Kamera: " Unsere Songs handeln von wahren Geschichten aus Bagdad, wie etwa die eines Sohnes, der entführt, bei lebendigem Leibe gekocht und auf Reis serviert dem Vater vor die Tür gestellt wurde." Ein anderes Lied beschreibt, wie ein Mensch bei vollem Bewusstsein der Kopf aufgebohrt wird. Wieder ein anderes heißt "Kanal der verwesenden Leichen".

Die Musiker beschreiben die Situation in ihrem Land als eine Art "Kalten Krieg". In Bagdad gehören Anschläge, Mord und Entführungen zum Alltag.

Das irakische Innenministerium bestreitet, dass Musiker westlicher Art verfolgt werden, doch die Realität sieht leider anders aus. In der Metal-Szene herrscht reine Panik. Ein Bandmitglied sagt, dass er einst auf offener Straße von zwei Leuten festgehalten und dazu aufgefordert wurde, sich die Haare abzuschneiden. Ganze acht Monate hat er sich nicht mehr aus dem Haus gewagt. Der Krieg, so meint er, habe die Menschen im Irak zu Killern gemacht.

Beten für die Metal-Band

Doch nicht nur für Rockbands ist das Leben im Irak gefährlich. Auch das Iraker Symphonieorchester, dessen jüngstes Mitglied 19 Jahre ist, muss täglich mit einer Auflösung rechnen. Seit nunmehr 40 Jahren spielen sie sich durch die Ungarischen Tänze von Brahms und andere Kompositionen westlicher Klassik - und zahlen für ihre Leidenschaft einen schrecklichen Preis: Wie die Metal-Band müssen auch sie mit ihren Familien alle zwei, drei Monate aufgrund von anonymen Todesdrohungen umziehen.

Dieses Jahr ist Bagdad Kulturhauptstadt der arabischen Welt. Dank der internationalen Aufmerksamkeit könnte sich die Situation junger Musiker dadurch möglicherweise bessern.

Noch ist es ein weiter Weg: Jüngst postete die untergetauchte Metal-Band auf ihrer Facebook-Seite, dass ihre Fans für sie beten sollen, dass sie die Hetzjagd heil überstehen werden. (Sarah Lehner, DER STANDARD, 6.2.2013)