In Floridsdorf bestrickten rund 300 Schüler und Senioren ihr Grätzel rund um die Franklinstraße und den Kinzerplatz.

Foto: Standard/Eva Häfele, GB*21

Wien - Jeder erinnert sich wohl noch gut daran, wie er als Kind vom Textillehrer in der Volksschule zum Stricken gezwungen wurde. Wirklich gerne hat es wohl kaum einer gemacht.

Lange Zeit hatte man Strickmode auch in der kalten Jahreszeit nur wenig Beachtung geschenkt. Höchstens bat man mal die eigene Oma, einem einen Schal zu stricken. Längst hat das Stricken ein Revival erlebt.

Heute sieht man in Wien immer öfter bunt eingestrickte Laternenmaste, Baugerüste, Parkbänke und sogar Bäume.

Beispielsweise bestrickten rund 300 Floridsdorfer die in ihrem Bezirk gelegene Franklinstraße und den Kinzerplatz. "Knitting Franklin" nennt sich die Initiative, bei der Jugendliche aus vier Schulen sowie etliche Senioren ihr winterlich graues Grätzel in ein farbenfrohes Bunt tauchten. Bis Ende Februar werden die auf die Art verschönerten Bäume, Straßenlaternen, Fahrradständer und Zäune noch zu sehen sein.

Urban Knitting - oder auch Guerilla Knitting - ist längst ein internationaler Trend. Seit 2005 wird in den USA bereits der öffentliche Raum verschönert.

Auch in Wien kann man seit 2010 immer wieder eingestrickte Straßenschilder, Parkbänke oder Zäune bestaunen. Besonders aktiv sind die "Strickistinnen", eine feministische Gruppe, die ihr öffentliches Stricken auch als politischen Akt betrachtet. Dem alten Klischee der strickenden Hausfrau soll ein Ende gesetzt werden.

Aber nicht nur Stricken, sogar Häkeln, das lange Zeit als Oma-Hobby galt, feiert ein Comeback. Fünf Sportstudenten aus Tübingen haben unlängst aus der immer größer werdende Nachfrage nach "Knitwear" eine Geschäftsidee gebastelt: Über ihre Homepage "hatnut.de" kann man sich eine Mütze ganz nach eigenem Wunsch bestellen, die dann händisch gehäkelt wird. Mittlerweile sind die Studenten schon so bekannt, dass sie ihre Wolle und Häkelnadeln immer und überallhin mitnehmen. Sogar in der U-Bahn gehen sie ihrem Gewerbe nach.

Stricken und Häkeln erfordert Genauigkeit, Geduld und vor allem: viel Zeit. Doch spätestens wenn man seinen Schal, die neue Mütze oder die lässigen Stulpen in den Händen hält, weiß man, dass sich der Aufwand gelohnt hat. (Simay Zwerger, DER STANDARD, 6.2.2013)