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Ex-Doktorin Annette Schavan.

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Die brisante Dissertation in Buchform.

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Düsseldorf/Berlin - Die Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität erkennt der deutschen Bildungsministerin Annette Schavan den Doktortitel ab. Der Fakultätsrat der Philosophischen Fakultät habe dies am Dienstag mit zwölf Ja-Stimmen bei zwei Nein-Stimmen und einer Enthaltung entschieden, sagte Dekan Bruno Bleckmann. Schavan habe "systematisch und vorsätzlich gedankliche Leistungen vorgegeben, die sie in Wirklichkeit nicht selbst erbracht hat", sagte Bleckmann.

Schavan steht nach der Aberkennung der Promotion ohne jeden Studienabschluss da. Zurücktreten wolle sie nicht, verkündete sie am Mittwoch. Schavan befindet sich derzeit auf einer fünftägigen Südafrika-Reise. Die CDU-Politikerin kündigte gegen die Entscheidung eine Klage beim Verwaltungsgericht Düsseldorf an. Der Beschluss sei in einem fehlerhaften Verfahren zustande gekommen und auch materiell rechtswidrig, erklärte ihre Anwaltskanzlei. Auch die CDU und der Koalitionspartner FDP kritisierten den Prozess.

Scharfe Kritik der Opposition

Die Opposition läuft nach dem Urteil Sturm gegen die Bildungsministerin. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte der Tageszeitung "Welt": "Frau Schavan ist als Wissenschaftsministerin nicht mehr glaubwürdig. Sie muss daraus ihre Konsequenzen ziehen. Die Maßstäbe müssen für alle gelten - ohne Ansehen der Person." Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sagte dem "Tagesspiegel" (Mittwoch), eine Wissenschaftsministerin, der eine grobe Missachtung wissenschaftlicher Regeln nachgewiesen wurde, sei nicht länger tragbar. "Ich gehe davon aus, dass Frau Schavan sich und der Wissenschaft die Verlängerung dieser Affäre erspart und ihren Rücktritt erklärt."

Hohe Messlatte

Auch der Vorsitzende der SPD in Schleswig-Holstein, Ralf Stegner, hält Schavan als Bildungsministerin für nicht mehr tragbar. "Die Entscheidung der Uni Düsseldorf ist glasklar: Für eine Wissenschaftsministerin dürfen beim Thema 'korrektes wissenschaftliches Arbeiten' wohl kaum die niedrigsten Standards gelten", sagte Stegner laut "Handelsblatt Online". "Insofern wird Frau Schavan ihre Situation sicher selbst realistisch einschätzen können." Mit ihrem "deftigen" Zitat zu dem vor ihr überführten Plagiator und Ex-Ministerkollegen Karl-Theodor zu Guttenberg ("Ich schäme mich") habe Schavan im Übrigen die Messlatte für sich selbst so hoch gelegt, "dass sie diese im Amt nur noch schwerlich überspringen kann", so Stegner.

Auch die Linke-Politikerin Petra Sitte forderte Schavan auf, die Konsequenzen zu ziehen.

Regierungsparteien kritisieren Verfahren

Aus den Regierungsparteien wurde das Verfahren dagegen als unfair kritisiert. Die Entscheidung der Uni Düsseldorf mache endlich den Weg frei für eine rechtliche Prüfung, sagte der Vorsitzende von Schavans CDU-Kreisverband Alb-Donau/Ulm, Paul Glökler, am Dienstag der Nachrichtenagentur dpa. "Jetzt kann sie dagegen angehen. Und ich bin gespannt, was dann noch rauskommt." Er sei überzeugt, dass seine Parteifreundin ihren Titel am Ende zurückbekomme. Für den Fraktionschef der CDU in Ulm, Thomas Kienle, hat die Universität nur "eine vorgefertigte Meinung bestätigt".

Der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Fraktion, Michael Kretschmer, sprach von einer politisch motivierten Kampagne gegen eine erfolgreiche Ministerin.

"Die letzten neun Monate waren von Mutmaßungen und mangelnder Fairness, von frühzeitigen Veröffentlichungen und einem Vorgehen geprägt, das mehr Fragen aufgeworfen als Antworten gegeben hat", kritisierte der bildungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Patrick Meinhardt.

Schavans Anwälte kündigen Klage an

Schavans Anwälte kündigten eine Klage an. Die Bonner Anwalts-Sozietät Redeker/Sellner/Dahs erklärte, die Entscheidung der Philosophischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität sei in einem "fehlerhaften Verfahren" zustande gekommen und "materiell rechtswidrig". Die Entscheidung sei "unverhältnismäßig", da die behaupteten Zitierverstöße "geringfügig" seien. Das rechtfertige nicht "die Rücknahme der Promotion und damit des einzigen berufsqualifizierenden Abschlusses" von Schavan. Ein Sprecher des Bildungsministerium teilte mit, Schavan werde sich am Mittwoch äußern.

Der Dekan sagte, in der 1980 eingereichten Dissertation "Person und Gewissen - Studien zu Voraussetzungen, Notwendigkeit und Erfordernissen heutiger Gewissensbildung" gebe es eine "irreführende Übernahme fremder Texte", also Plagiate. Insgesamt gebe es in der Arbeit "in bedeutendem Umfang eine nicht gekennzeichnete Übernahme fremder Texte". Deshalb habe der Rat entschieden, die Promotion für ungültig zu erklären und Schavan den Doktor-Grad zu entziehen.

Merkel stand immer hinter Schavan

Die CDU-Politikerin hat die erstmals im vergangenen Mai im Internet aufgetauchten Plagiatsvorwürfe immer wieder zurückgewiesen und erklärt, sie wolle auch nach der Bundestagswahl im Herbst Ministerin bleiben. Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel hatte sich hinter Schavan gestellt und betont, sie habe volles Vertrauen in die Arbeit der Ministerin.

Im Jahr 2011 trat Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) zurück, nachdem er wegen einer Plagiats-Affäre um seine Dissertation den Doktortitel abgegeben hatte. Auch den FDP-Politikern Silvana Koch-Mehrin und Jorgo Chatzimarkakis wurden wegen Abschreibens ihre Doktortitel aberkannt. (APA/Reuters, 5.2.2013)