Andrea Illy, 48, ist Chef des Familienunternehmens Illy Caffè.

Foto: Hersteller

STANDARD: Wien - immer noch eine Metropole der Kaffeekultur?

Andrea Illy: In jeden Fall eine Stadt mit enormer Kaffeegeschichte. Hier liegt die Wiege des Kaffees in Europa, neben Venedig - und Triest.

STANDARD: Eine eigene Uni für Kaffeegenuss - das klingt hochtrabend.

Illy: Was wir jetzt in Wien, Graz, Salzburg eröffnen, gibt es schon an 25 Standorten weltweit: Kompetenzzentren, wo Gastronomen lernen können, worauf es bei gutem Kaffee ankommt. Wirklich guter Kaffee - und das kann aus mehreren Gründen einzig Espresso sein - ist das Resultat eines hochkomplexen Prozesses. In Triest haben wir gemeinsam mit der Uni Cambridge aber auch einen MBA-Kurs ins Leben gerufen, der sechs Monate dauert. Da kann man richtig in die Tiefen der Kaffeekultur eintauchen.

STANDARD: Hier in Wien legen wir größten Wert auf Titel - wie graduiert man an Ihrer Uni? Als Espressore?

Illy: (lächelt) Das wäre auch eine Möglichkeit. Nach einem Kurs, der insgesamt drei Tage dauert, wird man als Maestro dell' Espresso zertifiziert. Dafür weiß man dann sehr viel über die vielen verschiedenen Faktoren, die guten Kaffee ausmachen. Was bei der Bohnenselektion wichtig ist, worauf es beim Rösten ankommt, wieso einzig eine gut eingestellte Espressomaschine in der Lage ist, Kaffee in seiner ganzen Größe und Geschmackstiefe zum Ausdruck zu bringen. Und warum eine Espressotasse nur maximal halbvoll sein darf.

STANDARD: Warum?

Illy: Um das im Detail zu verstehen, müssten Sie einen unserer Kurse besuchen. Das ideale Verhältnis für eine Tasse Espresso ist eigentlich unverändert, seit mein Großvater mit der "Illyssima" in den 1930ern das bis heute gültige Prinzip der Espressomaschine erfunden hat: sieben Gramm Kaffee, 90 Grad Brühtemperatur, neun Bar Wasserdruck. Und nicht mehr als maximal eine halbe Espressotasse voll, weil es sonst zur Überextraktion kommt. Der Geschmack wird unerfreulich holzig, bitter, die Crema weißlich statt sattbraun. Wer seinen Kaffee lieber etwas länger trinkt, sollte einfach heißes Wasser zufügen!

STANDARD: Ich möchte Sie mit einigen Schlagworten konfrontieren: Was fällt Ihnen zu Kapselkaffee ein?

Illy: Ein Versuch, alle Parameter der Espressozubereitung zu standardisieren. Mit dem von uns entwickelten System des Iperespresso zeigen wir, was auf diesem Gebiet möglich ist - konsistent sehr guter Espresso aus erstklassigen Blends. Und, nicht zuletzt: echte Crema!

STANDARD: Filterkaffee?

Illy: Ein wohlschmeckendes Heißgetränk, speziell wenn es mit Illy zubereitet wird. Kommt bei mir allerdings nie in die Tasse. Kann auch unmöglich die ganze Aromenvielfalt der Kaffeebohne aufschließen, weil gewisse fetthaltige Komponenten nur durch Dampf gelöst werden können.

STANDARD: Blue Mountain?

Illy: Ein sehr exklusives Nischenprodukt, Kaffee aus einer speziellen Gegend in Jamaika. Hat ein spannendes Geschmacksprofil, weil es schmeckt, wie sonst nur gute Blends schmecken können. Aber: Unser Blend ist besser.

STANDARD: Neapel?

Illy: Ah! Das Herz der italienischen Kaffeekultur. Der Kult der Espressobar als sozialer Ort, der spezielle Eros der Baristas, die Hingabe, mit der diese ihrem Handwerk nachgehen - das gibt es so nur in Neapel. Man muss erlebt haben, wie diese Burschen die Tassen mit bloßer Hand aus dem kochenden Wasser holen, damit sie nur ja heiß genug sind, um die Temperatur des Espresso nicht zu beeinträchtigen. Das ist Magie!

STANDARD: Handwerkliche Kleinröstereien?

Illy: Eine charmante Entwicklung. Im Idealfall, wenn ein guter Sack Bohnen erwischt wurde, ist da auch spannende Qualität möglich. Allerdings ist für die Gewährleistung konsistent guten Kaffees eine Vielzahl von Faktoren zu beachten. Das gelingt in der kontrollierten Umgebung industrieller Fertigung eindeutig besser.

STANDARD: George Clooney?

Illy: Ein toller Schauspieler, der auch als Werbetestimonial für Omega, Martini und einige andere Marken tätig ist. (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 8.2.2013)