Seminarhotel an der Peripherie, dafür mit Haubenkoch.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Das Restaurant des Europahauses im Schlosspark Miller von Aichholz, Wien-Hütteldorf.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Michael Baumkirchner war vor Jahren für die Küchenleistung im Rosenbauchs mitverantwortlich, einem für seine damals noch iberisch inspirierte, kreative Linie gerühmten Zweihauber in Ebreichsdorf. Dann kochte er kurz hinter der Börse (M-Art), bekam gute Kritiken - das Lokal hielt sich dennoch nicht lange. Schließlich wurde es längere Zeit ruhig um den jungen Mann, der nicht zuletzt für seinen Hang zur richtig aufgezwirbelten Kreation bekannt ist.

Baumkirchner hatte sich selbst aus dem Spiel genommen und vor drei Jahren im denkbar unauffälligen Restaurant des Seminarhotels Europahaus angeheuert, weit draußen auf der Linzer Straße und bislang hauptsächlich durch den prächtigen Park des Miller-von-Aichholz-Schlössels bekannt, in dem es sich befindet. Nach einem Betreiberwechsel will Baumkirchner ab heuer wieder anspruchsvoller zur Sache gehen.

Zu viel Routine und zu wenig Herzblut

Einstweilen bietet das ziemlich seminarmäßig dekorierte Restaurant des Hotels (beige Wände, beige Tischläufer, beige-braun gestreifte Bänke ...) noch wenig Grund, den breiten Weg an die Westausfahrt auf sich zu nehmen - der Frühling und der Gastgarten zum Park bieten da hoffentlich mehr Verlockung.

Bis dahin sollte sich auch Baumkirchner wieder gefunden haben. Während die klassisch wienerischen Gerichte - kräuterwürziges Kalbsbeuschel, im Butterschmalz gebackenes Wiener Schnitzel (allerdings mit gar breiigem Erdäpfel-Vogerlsalat) oder Zwiebelrostbraten ihm sehr routiniert von der Hand gehen, wirken viele Gerichte des mit "Baumkirchners Moderne" überschriebenen Teils der Karte leider auch so: mit zu viel Routine und zu wenig Herzblut gekocht. Die im Stil satt abgeschmalzener Speiskartenlyrik betitelten Kreationen wirken bei aller Qualität oft achtlos zubereitet.

Bei "Carpaccio vom Spitzpaprika trifft Kräuter, Nüsse und Ziegenhartkäse" etwa entwickelt die gegrillte Schote kraftvollen, rauchigen Schmelz am Gaumen, auch die Kombination mit Ziegenkäse funktioniert - die in großen Stücken darübergestreuten exotischen Nüsse (Para, Cashew, Pekan ...) aber wirken nicht nur deplatziert, sie sind auch jenseits der Ranzgrenze.

Der Eindruck: von vorgestern

Ein ähnliches Problem zeigt "Kalbskopf in der Haselnuss im Dialog mit Jakobsmuscheln, Ofenkürbis und Vanille": die Haselnussbrösel muffig, der Kalbskopf als ungeschlachter Ziegel mehr als derb herpaniert, die Jakobsmuscheln, nun ja, am äußeren Ende ihrer Genießbarkeitskurve.

Und die Vanille? Ist vermutlich als Hinweis auf deutlichen Knoblauch-Einsatz zu interpretieren. Wie es gehen könnte, zeigt dafür die katalanische Zwiebelsuppe mit feinem Säurespiel und einer in geknuspertes Tramezzino-Brot gehüllten Blunze, die wirklich toll gewürzt ist.

Natürlich ist es schwierig, unbedarfte Seminargäste von aufgemascherlten Kompositionen zu überzeugen: Schnitzi und Kalbsgulasch sind im Zweifelsfall sichere Optionen. Wenn die hochgestochenen Kreationen dann auch noch schmecken, als ob sie schon vorgestern zubereitet und eher notdürftig aufgewärmt worden wären, sollte man es besser gleich lassen. (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 8.2.2013)