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Christian Lacroix

Foto: REUTERS/Jacky Naegelen

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Ein Bild aus seiner letzten Kollektion von 2009.

Foto: AP/JACQUES BRINON

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Unsere Interviewerin Herlinde Koelbl ist gelernte Modedesignerin und eine der bekanntesten deutschen Fotografinnen. Von ihr erschienen zahlreiche Bücher, und sie wurde mit vielen Ausstellungen geehrt. Derzeit ist sie regelmäßige Kolumnistin des "Zeit-Magazins".

Foto: AP/Fritz Reiss

STANDARD: Wissen Sie noch, was Sie bei Ihrer allerletzten Modenschau getragen haben?

Christian Lacroix: Ja, einen schwarzen Anzug und ein weißes Hemd, Trauerkleidung. Aber das geschah unbewusst. Im Figaro war ein Bild von mir, da sah ich aus wie ein Dämon. Darin erkenne ich mich.

STANDARD: Als Ihr Modehaus 2009 verkauft wurde, waren alle sehr bestürzt.

Lacroix: Ich nicht!

STANDARD: Wieso das? Was hat Sie gerettet?

Lacroix: Meine Wut. Ich war von den jahrelangen Kämpfen aufgepeitscht und bin es immer noch. Eines Tages werde ich meinen Namen zurückerobern. Und ich werde allen beweisen, dass ich es auch allein schaffe.

STANDARD: Sie haben neben dem Geld auch Ihren Namen verloren.

Lacroix: Ich war mir schon damals 1987 unsicher, als ich Monsieur Arnault meinen Namen für das Modehaus gab. Ich wäre lieber mit einem anderen Namen an die Öffentlichkeit gegangen. Das ist mein Familienname, und bei Christian Lacroix habe ich immer das Bild vor Augen, wie mein Vater meine Schulhefte beschriftet. Immer am ersten Schultag, jeden Herbst in seiner wunderbaren Handschrift mit chinesischer Tinte.

STANDARD: Ihr Vater war sehr streng, oder?

Lacroix: Ja, und immer beschäftigt. Er arbeitete als Ingenieur, kam abends spät heim. Ich wagte kaum, ihn anzusprechen, und alle meine Freunde hatten Angst vor ihm. Meine Mutter hingegen war eher neapolitanisch temperamentvoll und laut. Bei Beerdigungen wollten ihre Verwandten immer, dass ich auch laut weine. Und die väterlicherseits ermahnten mich: "Ich möchte nicht, dass du weinst, wenn ich sterbe." Die Herausforderung für mich war, zwischen beidem die Balance zu finden. Das klingt vielleicht nach Küchenpsychologie, aber ich fühlte mich erst erwachsen, als meine Mutter starb. Sie starb 1999 an Krebs.

STANDARD: Starke Frauen begleiten Sie bereits Ihr ganzes Leben, mit Ihrer Ehefrau sind Sie seit 1974 verheiratet.

Lacroix: Es war Liebe auf den ersten Blick. Françoise kann in einer einzigen Nacht die Welt neu entwerfen. Manchmal streitet man aus nichtigen Gründen, und schlimme Dinge werden gesagt. Aber am nächsten Morgen ist alles wieder gut. Wir sind beide nicht einfach, aber mittlerweile wissen wir, wie wichtig wir füreinander sind. Ich bin so oft wie möglich bei ihr in Südfrankreich, telefoniere ständig mit ihr, schreibe ihr, schicke ihr Bilder. Eine sehr wichtige Person in meinem Leben war auch meine Großtante. Sie war wie eine Romanheldin, streng, klug, elegant und mutig. Ich trage immer noch Haare von ihr bei mir, obwohl sie vor mehr als 20 Jahren starb.

STANDARD: Auch jetzt?

Lacroix: Aber ja. Sie wusste davon natürlich nichts. Für sie habe ich mich in der Schule angestrengt. Jeden Sonntag kam sie zu Besuch und hatte diese wunderschönen langen, roten Fingernägel, ihre einzige Extravaganz. Sonst war sie eher konservativ in Grau und Blau gekleidet. Sie trug übrigens selten etwas aus meiner Kollektion. Manchmal meinte Sie scherzhaft: "Mr. Saint Laurent macht so unglaublich elegante Kleider, mach doch auch so etwas!"

STANDARD: Waren Sie Ihrer Frau immer treu?

Lacroix: Françoise ist eine kluge Frau. Ihr hat es nichts ausgemacht, solange es mit Männern war. Für mich ist das eher eine Frage der Persönlichkeit, ich verliebe mich in schöne Menschen. Einmal, das war vor mehr als 20 Jahren in Berlin, sagte Françoise zu mir: "Ich glaube, du bist in diesen Constantin verliebt." Sie hatte es daran erkannt, wie ich ihn immer ansah. Mir selbst war das gar nicht bewusst gewesen.

STANDARD: Sie haben einmal gesagt: Freiheit, das sind die Grenzen, die man sich selbst setzt. Welche Grenzen setzen Sie sich?

Lacroix: Keine! Mein Motto lautet: Jeden Tag einen kleinen Schritt vorwärts. Wir Franzosen denken momentan sehr realistisch und konkret, aber eigentlich ist es Bestandteil des Menschseins, nach dem Unmöglichen zu streben und nicht innerhalb der Grenzen des Machbaren zu verharren. Als Kind träumte ich oft von meiner Zukunft und war mir sicher, dass Großes auf mich wartet. Eine meiner Visionen war es, Kostümdesigner zu werden. 40 Jahre hat die Realisierung dieses Projekts gedauert, und jetzt, mit 62, habe ich es geschafft und bin angekommen.

STANDARD: Aber Sie waren doch vorher bereits ein gefeierter Modedesigner?

Lacroix: Als Modedesigner fühlte ich mich immer ein wenig wie ein Hochstapler. Ich war auf dem Titel vom "Time"-Magazine. Für mich war das wie ein Witz, wenn auch ein guter. Aber es hat mich nie erfüllt. Das war nicht ich. Mode war nie meine Sache. Ich bin kein Mann der Nadeln und Scheren. Meine Handwerkszeuge sind mein Stift, meine Finger, mein Computer und Papier. Als ich im Kindergarten war, mussten die Mädchen auch mit Autos spielen und die Jungs mit Puppen. Ich habe das immer gehasst und bin freiwillig in die Ecke gegangen, noch bevor ich bestraft wurde. Mir gefielen nur Puppen in historischen Kostümen.

STANDARD: Jemand sagte einmal, Sie würden Mode für intelligente, selbstbewusste Frauen entwerfen.

Lacroix: Natürlich teile ich meine Welt mit sehr inspirierenden Damen, geschaffen für New York und Paris, interessiert an Literatur und Musik. Meine Drogen sind Intelligenz, Klugheit und Esprit. Baronin Marie-Hélène de Rothschild mochte mich und meine Arbeit sehr und nahm uns in ihren Zirkel aus Prinzen, Prinzessinnen, Präsidenten, Dichtern, Filmstars auf. Das war ein kleiner, intimer Kreis, aus einer Welt, die es so nicht mehr gibt. Alte Aristokratie, verbunden mit Kultur - ihr eigener kleiner Salon. Aufgrund meiner fast pathologischen Vorliebe für die Vergangenheit habe ich das natürlich geliebt.

STANDARD: Das sieht man auch an Ihren traumhaften, glamourösen Kleidern.

Lacroix: Ja, sie sind völlig losgelöst vom Modebusiness und aktuellen Trends, die mich noch nie sonderlich interessiert haben. Ich dachte, nach all dem Schwarz-Weiß und Hightech der 80er hätten die Leute wieder Interesse an etwas Neuem. Wahrscheinlich bestand mein Erfolg als Modedesigner in der Andersartigkeit - im Theatralischen meiner Kollektionen. (Herlinde Koelbl, Rondo, DER STANDARD, 8.2.2013)