Brüssel/Straßburg - Zwei Tage vor dem EU-Gipfel zum langfristigen Budgetrahmen der Union bis 2020 wurde im Europäischen Parlament in Straßburg eine große Hürde für eine Einigung aufgestellt. Die vier großen Fraktionen - Konservative, Sozialdemokraten, Liberale und Grüne - legten sich darauf fest, einer Vorlage der Staats- und Regierungschefs nicht zuzustimmen, sollte es über bisher bekannte Sparpläne hinaus noch zu weiteren Kürzungen kommen.

Die Kommission verlangte insgesamt 1050 Milliarden Euro für sieben Jahre. Die Regierungschefs waren im November bei rund 970 Millionen auseinandergegangen.

Die Speerspitze dagegen bilden nun ausgerechnet die Christdemokraten (EVP), zu denen Kanzlerin Angela Merkel zählt, die gemeinsam mit dem britischen Premier David Cameron weitere Einschnitte verlangt. EVP-Fraktionschef Joseph Daul sagte vor dem Plenum, bereits im Haushalt 2012 fehlten 16 Milliarden Euro, weshalb Erasmus-Programme gestrichen werden müssten. "Es ist unglaublich, dass die Mitgliedsstaaten uns das vorschlagen", donnerte er unter Applaus in den Saal. Versuche man gleiches beim Finanzrahmen (MFR) bis 2020, "dann werden wir das nicht hinnehmen". Der EVP-Chef gab damit den Takt vor, dem sich die anderen Fraktionschefs mit zum Teil harten Worten anschlossen.

Kein Mitverhandlungsrecht

Das EU-Parlament hat laut EU-Vertrag kein Mitverhandlungsrecht, kann den Budgetansatz aber zurückweisen. Dann müsste der Rat jährlich Budgets aushandeln.

Anlass zur Vetodrohung war eine Grundsatzrede von Staatspräsident François Hollande in Straßburg. Er sorgte für eine Premiere. Ein französisches Staatsoberhaupt hatte sich in der Geschichte der Union noch nie einer Debatte mit dem Plenum der EU-Abgeordneten gestellt. Der Franzose versprach den Fraktionen, dass er ihre Botschaft beim EU-Gipfel einbringen werde. Er selber sei gegen ein "Sparen ohne Ende". Es müsse gelingen, Maßnahmen für Wachstum und Beschäftigung, vor allem der Jugend, zu setzen. Und er hoffe auf einen "vernünftigen Kompromiss" beim Budget.

Heute, Mittwoch, trifft Hollande in Paris mit Merkel zusammen. Sie beide würden einen gemeinsamen Vorschlag zum Gipfel einbringen. Der Präsident legte ein klares Bekenntnis zum weiteren Ausbau der Wirtschaftsunion ab, aber unter der Bedingung der Solidarität. Es gelte auch, den Euro weiter zu verteidigen, eine eigene Währungspolitik zu betreiben, ohne in die Unabhängigkeit der Zentralbank einzugreifen. Der Euro dürfe nicht allein den Märkten überlassen werden.

Streit um EU-Beamtensaläre

Zwischen die Fronten gerieten im Budgetstreit die EU-Beamten, die mit Streik auf angedrohte Kürzungen reagieren wollen. Die Welt am Sonntag hatte behauptet, dass 4365 EU-Beamte mehr verdienten als Kanzlerin Merkel. "Stimmt nicht", konterte der zuständige EU-Kommissar Maros Sefkovic in der Süddeutschen Zeitung, "kein einziger" verdiene mehr. Das Blatt hat den Bruttobezug von leitenden Beamten (16.359 Euro, 12-mal im Jahr) mit dem Grundbezug der Kanzlerin (16.275 Euro) verglichen, aber Diäten von 4000 Euro und Weihnachtsgeld nicht eingerechnet. Zudem sind Zuschläge für Tätigkeit im Ausland, Schulgeld und Besteuerung von Beamten in EU und Deutschland sehr unterschiedlich. (Thomas Mayer, DER STANDARD, 6.2.2013)