Kevin Hundstorfer spielte sich in Nantes zum Weltmeister im Tischfußball.

Foto: Hundstorfer

Hundstorfer auf seinem "Heimtisch", dem Garlando.

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Kevin Hundstorfer spielt oft, im Wirtshaus allerdings nicht mehr. Mangels Gegnern: "Die anderen Leute finden das nicht so lustig." Wer will sich schon mit dem regierenden Weltmeister im Wuzeln duellieren? Beziehungsweise im Zoistsn, wie man angeblich in Oberösterreich zum Tischfußballspielen sagt. Hundstorfer kommt aus Wels, seinen Karrierehöhepunkt hat er im Jänner im französischen Nantes erlebt. Der 21-Jährige spielte sich im Herren-Einzel zum Weltmeistertitel. "Wirklich realisieren kann ich die Situation noch nicht", sagt Hundstorfer im Gespräch mit derStandard.at, "vielleicht kommt das erst später."

Österreichs Wuzler in der Weltelite

Dass Wirtshausbesuche in Österreich oft von Wuzel-Aktivitäten flankiert werden, macht sich bezahlt. Das Land befindet sich auf Rang drei der Tischfußball-Weltrangliste. Alleine aus Nantes nahm das Team des Tischfußballbundes Österreich (TFBÖ) fünf WM-Medaillen mit. Gold gab es nicht nur im Herren-Einzel-Bewerb, sondern auch im Damen-Doppel, wo die Wienerinnen Verena Rohrer und Sophie Jobstmann siegten. Trotz der Erfolge ringen Österreichs Tischfußballspieler noch um ihre Anerkennung. In Österreich existieren zwar Vereine in jedem Bundesland, der Status einer Sportart wurde Tischfußball bis jetzt aber verwehrt. Und damit auch die Möglichkeit, in den Genuss von Förderungen zu kommen.

Das Finale in Nantes

 

Training in Linz, Turniere in ganz Europa

Beim Tischfußball kommt es auf die mentale Stärke an, erklärt Hundstorfer: "Gerade unter Wettkampfbedingungen." Weitere wichtige Eigenschaften, über die Wuzler verfügen sollten: "Ein gutes Auge, Koordinationsfähigkeiten und gute Reflexe." Talent sei natürlich eine Grundvoraussetzung, so der Welser, der sich neben der WM-Goldenen noch mit drei Juniorenweltmeistertiteln schmücken darf. Bei den Hundstorfers liegt das Talent in der Familie. Kevins Eltern spielten bereits auf Vereinsebene, der Filius ist seit seinem 13. Lebensjahr aktiv. "Es gibt Wochen, da bin ich ein fauler Hund wie jeder andere", sagt Hundstorfer über sein Trainingspensum, "aber im Schnitt trainiere ich zwei- bis dreimal pro Woche." Im Trainingszentrum in Linz. Jeweils bis zu vier Stunden.

Preisgelder und Ruhm

Wenn nicht gerade Weltmeisterschaft ist, spielt Hundstorfer Turniere. Meistens sind es zwei pro Monat. "Für den Spielrhythmus", wie er sagt. Immer an den Wochenenden, verteilt auf ganz Europa. Die Kosten begleicht er aus der eigenen Tasche. So professionell die Einstellung zum Sport ist, so amateurhaft sind die Rahmenbedingungen. Preisgelder und Reisebudgets sind die Ausnahme, außer für die absolute Elite, die Regel sind Ruhm und Ehre. Wenn überhaupt. Eine finanzielle Würdigung erfahren nur die wenigsten: "Man muss schon gut sein, damit wieder was retourkommt." Für Hundstorfer ist Tischfußball ein Zusatzverdienst, für die meisten ist es nur eine Passion, die sie sich schwer leisten können. Die Luft an der Spitze ist sehr dünn.

Randsportart mit "Potenzial"

Im Brotberuf ist Hundstorfer Servicetechniker für Schneide- und Schmiedemaschinen. Vollzeit. Der derzeit Zwölfte der Einzel-Weltrangliste hofft, von der Wuzlerei einmal leben zu können. So richtig glauben kann er daran allerdings nicht: "Wir sind halt noch eine Randsportart." Obwohl Potenzial vorhanden sei: "Ich sehe keinen großen Unterschied zu Billard oder Darts." Geld, um die Masse zu erreichen, ist nicht in Sicht. Und ohne Breitenwirkung keine potenten Sponsoren. Zumindest in Österreich nicht, international bewegt sich was. Eurosport überträgt zum Beispiel die Weltmeisterschaft. Finanziell reüssieren können Topspieler wohl nur in den USA. Im Land, das mit Superlativen nicht gerade geizt, herrschen auch beim Tischfußball andere Dimensionen. Große Turniere mit namhaften Sponsoren produzieren Leute, die vom Tischfußball leben können.

Terrain variiert

Einfach das Glück in den USA zu versuchen ist aber leichter gesagt als getan. In Europa wird auf anderen Tischen gespielt. Die Unterschiede sind groß, wie Hundstorfer erläutert. Sogar innerhalb Europas, hier kommen zum Beispiel fünf verschiedene Modelle zum Einsatz. Die nationalen Verbände müssen sich für eines entscheiden. In Österreich werden die Meisterschaften auf dem Garlando-Tisch ausgetragen. Das sind jene Tische, die das Wuzel-Geschehen auch in den Wirtshäusern dominieren. In Frankreich wird beispielsweise mit dem Bonzini-Tisch gespielt, Deutschland setzt auf Leonhart. Das sind Geräte mit anderen Mechanismen. Die Bandbreite reicht von Holzstangen mit Plastikfiguren bis zu Teleskopstangen mit Metallfiguren. Auch Bodenbeläge und Bälle variieren.

Reglement für unterschiedliche Tische

Um Weltmeister werden zu können, muss man die Finessen eines jeden Tisches beherrschen. Dafür verantwortlich ist das Reglement. Damit Chancengleichheit für alle Spieler und Verbände besteht, muss auf jeder Klaviatur gespielt werden. Bei Turnieren sind das fünf Tische. Tritt ein Österreicher gegen einen Franzosen an, so lautet das Match auch Garlando gegen Bonzini. Nach jedem Satz wird der Tisch gewechselt, erklärt Bernhard Wagner, Vorstand des Tischfußballbundes Österreich. Der Sieg führt über drei gewonnene Sätze, fünf Tore braucht es für einen Satzgewinn. Steht es 2:2, kommt es zu einem Entscheidungssatz. Der Tisch wird dann ständig gewechselt, bis jemand mit zwei Toren Unterschied in Front liegt. Der Weg zum Erfolg führt also über den "fremden" Tisch, sagt Wagner zu derStandard.at. Auf dem eigenen Terrain müssen "nur" die Hausaufgaben erledigt werden, also die Pflichtsiege her.

Nur in Salzburg anerkannt

In Österreich frönen rund 550 Spieler dem Wuzeln - auf Vereinsebene, Wirthauskaiser gibt es natürlich noch viel mehr. Die Funktionäre arbeiten alle ehrenamtlich. Wann sich das ändert, lässt sich laut Wagner nicht sagen. Der Kampf um die Anerkennung als Sportler dauert bei den Tischfußballern bereits zehn Jahre. Einige werden wohl noch dazukommen, schließlich müssen zuerst die  Landesverbände ihren Sanktus erteilen. Bis jetzt spielt erst ein Bundesland mit: Salzburg. Hier wurde Wuzeln bereits in den Rang einer Sportart gehoben. Seit 2011 können deswegen auch Förderhähne angezapft werden, ein großes Turnier findet jedes Jahr statt - "vergleichbar mit einem Grand-Slam-Turnier im Tennis", so Wagner.

Bis die Wuzel-Leidenschaft monetarisiert werden kann, dürfte es also noch dauern. Für Kevin Hundstorfer könnte es sich ausgehen. Der 21-Jährige ist vom Zenit noch weit entfernt. Sowohl was das Können als auch was das Alter betrifft. Wie lange er spielen wird, weiß er nicht, auf jeden Fall, "solange es Spaß macht". Limit existiert keines, das exerziert Giuliano Bentivoglio vor. Der Belgier ist 56 Jahre alt, er war Hundstorfers Gegner im WM-Finale. (Oliver Mark, derStandard.at, 6.2.2013)