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Der Protest geht weiter: Flüchtlinge in der Wiener Votivkirche im Fokus der Öffentlichkeit.

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Marlene Streeruwitz

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"Dann sollen sie eben weiter hungern, bis sie umfallen, es ist deren Entscheidung." Poster "keyser" am 31. 1.

Für die Personen in der Votivkirche geht es ums Leben. Ganz wörtlich so, weil diese Personen vollkommen von ihrer Umgebung abhängig sind. Deshalb wird jedes Wort und jede Handlung diesen Personen gegenüber zu einem Urteil. In sehr vielen Fällen hören und lesen wir dann gleich Todesurteile, wenn man diese Personen vertrieben wissen will. In den anonymen Postings zu der Situation in der Votivkirche findet sowieso wieder einmal ein verbaler Blutrausch statt.

Vernichtungswille wird schamlos kundgetan. Die Hunde sind von den Ketten. Wieder einmal.

Aber das ist kein Wunder. Die Personen in der Votivkirche sind ja verlassen. Die sind allein. Die sind schutzlos. Im Interview mit Armin Wolf in der ZiB 2 (29. 1. 2013) konnten wir es mitansehen, wie Kardinal Christoph Schönborn das Kirchenasyl dieser Personen infrage stellte und ihnen damit schon entzog. Bedauernd, tat er das. Betrübt. Aber eben doch.

Der Kardinal reihte sich mit diesem Interview ein in die lange Kette der Ordnungserfüllenden, die nicht anders können. Dass er herzlich um das Verständnis der Flüchtlinge für seine Situation bat. Das war sicher ernst gemeint. Aber. Mit jedem Wort glitt der Kardinal weiter weg. Mit jeder Beteuerung, dass diese jungen Männer ja nie den Gottesdienst in der Votivkirche gestört hätten und sich immer gut benommen hätten, wurde die Situation in der Votivkirche schon Vergangenheit. Mit jedem Zögern vor einer Antwort teilte er es mit: Er steht nicht vor diesen Personen.

Und um nichts anderes wäre es gegangen. Es wäre nur darum gegangen, dass eine Person seiner Instanz den Schutz gewährleistet und damit die Debatte auf die Ebene der Lösung führt. Personen, die diesen Schutz nicht gesichert sehen, werden den vernünftigen Lösungen nicht zugänglich sein. Können das gar nicht.

Und was anderes sollten wir von der katholischen Kirche erwarten, als dass sie einen moralischen Standpunkt einnimmt, den vertritt und die Debatte im Keim erstickt. Und. Die moralische Instanz katholische Kirche wäre hergestellt. Für diese Situation. Natürlich sind wir von Kitsch verbildet. Beckett und all die anderen Kirchenmänner, die dem Staat standhielten. Die sich an die Altäre flüchteten und sich allem aussetzten. Das war dann doch nur Hollywood. Und.

Aber Haltung

Das wäre für die erastianistische Beziehung von Kirche und Staat in Österreich ohnehin nicht zu erwarten. Aber Haltung. Einfach den Weg weitergehen. Festen Schritts. Nicht sooo deutlich zeigen, dass man es bereut, nicht gleich der Räumung zugestimmt zu haben. Nicht gar sooo klar erkennen lassen, dass es nun wieder in die Aussitzerei geht. Dass wiederum ein politisches Problem so lange nicht bearbeitet wird, bis es entweder in Vergessenheit geraten ist oder - wie in diesem Fall zu erwarten - so viele empörte Mitglieder der Kirche die Räumung verlangt haben, dass die Aktion in irgendeiner Nacht dann stattfinden kann.

Wir haben nun lange Erfahrung in dieser Unsichtbarkeitmachung von friedlichem Protest. Am Ende wird der Blutrausch in den Postings erfüllt werden. Vernichtung. Aber. Weil es um das Leben dieser Personen geht. Und weil es in der EU darum geht, Internierungslager für Asylbewerber einzurichten. Und weil wir dann ganz legal wieder Lager haben dürfen und an einem Punkt angekommen sein werden, an dem wir doch dachten, dass der nie wieder möglich sein wird.

Es wäre schön gewesen

Deshalb wäre es so richtig gewesen, wenn der Kardinal die Rolle der moralischen Instanz angenommen und den Personen in der Votivkirche ihre Sicherheit garantiert hätte. Das war eine von diesen Möglichkeiten, die Leben verändern hätten können. Auch darin haben wir nun viel Erfahrung, wie Personen in Politik und Kultur ihre Augenblicke nicht erkennen und nutzen. Aber es wäre schön gewesen.

Und vielleicht hätte man sich in den Postings nicht mit der Vernichtung der Personen beschäftigt, sondern mit Vorschlägen, wie die ihr Geld verdienen sollten. Diese Vorschläge wären dann sicherlich auch noch hasserfüllt und scheußlich, aber sie würden sich mit dem Leben beschäftigen und nicht mit dem Tod. Und dann. Warum auftreten. Warum dann auch noch in der Öffentlichkeit diesen Entzug des Schutzwillens bekanntgeben. Warum die Stellung in der Öffentlichkeit dazu benutzen, die Jagd auf die Personen in der Votivkirche freizugeben.

Oder handelt es sich um die kirchliche Antwort auf das Begehren auf Grundrechte, die die Kirche nicht anerkennt und die sich die Personen da nur durch Wohlverhalten verdienen können, wobei das Wohlverhalten vorgeschrieben wird. Dann sind wir zurück im 19. Jahrhundert. So ungefähr um 1848. Denn. Eine Kirche, die keine zivilgesellschaftlich-moralische Instanz sein will. Was ist die dann.

"Dann sollen sie eben weiter hungern, bis sie umfallen, es ist deren Entscheidung", postet keyser. (Marlene Streeruwitz, DER STANDARD, 5.2.2013)