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Teamchef Emanuel Viveiros und Thomas Koch, Österreichs einziger Mittelstürmer von internationalem Format.

Foto: APA/Fohringer

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2010 mitten in der Weltklasse seines Jahrgangs: Dominique Heinrich (22).

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In dieser Woche geht die Qualifikation für die Olympischen Spiele in ihre entscheidende Phase, in Bietigheim-Bissingen, Riga und Vojens spielen noch zwölf Mannschaften um die letzten drei Tickets für Sochi 2014. Mit im Rennen ist dabei auch das österreichische Nationalteam, das in Baden-Württemberg auf Italien (Donnerstag, 16 Uhr), die Niederlande (Freitag, 16 Uhr) und Gastgeber Deutschland (Sonntag, 15.15 Uhr) trifft. Nur der Sieger dieser Vierergruppe wird im kommenden Februar ans Schwarze Meer reisen.

Letzte Teilnahme im Jahr 2002

Zuletzt verpasste die rot-weiß-rote Auswahl die Qualifikation zwei Mal knapp: Am Weg zu den Spielen 2006 stolperte man in Klagenfurt über die Ukraine (3:4), um 2010 in Vancouver dabei zu sein, erwies sich in Hannover Deutschland als zu hohe Hürde (1:2). Österreichs letzte Teilnahme datiert demnach aus dem Jahr 2002, als sich jedoch noch 14 Teams für Olympia qualifizierten und der Modus Begegnungen mit den wirklich Großen der Eishockeywelt verhinderte.
In Erinnerung blieb von diesem Turnier primär der 3:2-Sieg über die Slowakei, bei dem der Gegner lediglich 14 Feldspieler zum Einsatz brachte, um für die Hauptrunde noch NHL-Spieler nachnominieren zu können.

Dabei sein ist alles

Seit damals hat sich viel verändert: Das Teilnehmerfeld wurde auf zwölf Teams verkleinert, die Topnationen greifen bereits in der ersten Turnierphase ins Geschehen ein. Daher pausiert im Vier-Jahres-Rhythmus auch die NHL, das Eishockeyturnier der Olympischen Winterspiele wird somit zum qualitativ hochwertigen Wettstreit der besten Cracks der Welt.
Die Möglichkeit, sich 2014 auf diesem Level ins Rampenlicht zu spielen, ist für das Team Austria eine goldene: Dem in den letzten Jahren von Rückschlägen und Negativmeldungen geprägten österreichischen (Verbands-)Eishockey brächte eine Olympiateilnahme auf nationaler Ebene wohl einen Popularitätsschub, auch international würde sie nach acht Jahren im WM-Fahrstuhl zwischen A- und B-Gruppe endlich wieder einem positiven Signal entsprechen. Auch wenn die ÖEHV-Führung gegensätzlicher Auffassung sein dürfte: Das österreichische Eishockey und sein Image können von dieser Woche in Bietigheim-Bissingen mehr profitieren als von der Weltmeisterschaft in Helsinki im Mai.

Vision 2014

Die Olympischen Spiele 2014 waren einst auch das Ziel von Lars Bergström, dem Vor-Vorgänger von Teamchef Emanuel Viveiros. Der Schwede entwickelte bereits Anfang 2008 ein langfristig angelegtes und auch schriftlich ausformuliertes Konzept zur Weiterentwicklung des rot-weiß-roten Eishockeys. Das mit "Vision 2014" betitelte Paper verstaubte seit 2009, als Bergström nach dem (sportlich eigentlich verhinderten) Abstieg aus der A-Gruppe seinen Platz räumen musste, in einer Schublade im Verbandsbüro, erst der letzten Sommer eingestellte ÖEHV-Sportdirektor Alpo Suhonen griff darauf zurück. Nach einer mehrmonatigen Orientierungs- und Analysephase geht der Finne nun daran, die in den letzten Jahren von bescheidenem Tempo gekennzeichnete Weiterentwicklung des österreichischen (Verbands-)Eishockeys zu beschleunigen. Dabei wird er sich primär auf den Bereich der Trainerausbildung und die Schaffung zeitgemäßer Strukturen in den Nachwuchsnationalteams konzentrieren.

Ältere Mannschaft als unter Gilligan

Das A-Nationalteam bleibt weiter Domäne von Teamchef Emanuel Viveiros, der von seinen Assistenten Rob Daum und Christian Weber unterstützt wird. Der Austro-Kanadier nannte bei seinem Amtsantritt 2011 den "behutsamen Aufbau einer jungen Mannschaft" als Kernziel, schickt nun jedoch eine Mannschaft in die Olympia-Qualifikation, deren Durchschnittsalter (27,9 Jahre) höher ist als jenes des letzten WM-Kaders seines Vorgängers Bill Gilligan (27,3 Jahre).
Dieses Abrücken von der selbst formulierten Zielsetzung wäre verständlich, ginge damit eine Steigerung der Erfolgschancen des Teams einher. Allerdings darf bezweifelt werden, dass dem so ist - die Zusammenstellung des Kaders für die drei wichtigsten Länderspiele des Jahres wirkt nicht gänzlich durchdacht.

Zwei Pflichtsiege und ein Endspiel

Will das Team Austria 2014 nach Sochi fahren, sind die beiden Auftaktspiele im Qualifikationsturnier gegen Italien (zwar elf in Nordamerika geborene Spieler im Kader, im Vorjahr jedoch chancenlos aus der A-Gruppe abgestiegen) und die Niederlande (aktuell auf Rang 24 der Weltrangliste) in die Kategorie Pflichtsiege einzuordnen. In der dritten und wohl entscheidenden Partie wäre dann Gastgeber Deutschland der Gegner.
Das von verletzungsbedingten Ausfällen gekennzeichnete DEB-Team, am Montag von Emanuel Viveiros erneut als Favorit bezeichnet, weist im Vorfeld der Olympia-Qualifikation ein besonders großes Fragezeichen auf: Während man im Angriff, speziell im ersten Block um Kai Hospelt und in der zu erwartenden "Hamburger Linie" um Garrett Festerling, ebenso gut und ausgeglichen bestückt ist wie im Tor (Dennis Endras, WM-MVP von 2010 als wahrscheinliche Nummer eins), wirkt die Abwehr recht eindimensional besetzt. Mit Ausnahme von Constantin Braun dominieren defensiv orientierte Verteidiger, die auf internationalem Level wenig zur Spieleröffnung beizutragen vermögen und mit aggressivem Forechecking durchaus zu Fehlern im Aufbau gezwungen werden können.

Zentrum als Problemzone

Die Abwehr galt in den vergangenen Jahren auch im österreichischen Team als große Schwachstelle, für manche Beobachter ist sie das noch immer. In der zuletzt meist grauen Realität der Nationalmannschaft (nur sieben Siege in 19 Länderspielen unter Viveiros) wurde die Verteidigung jedoch längst von der Mittelstürmer-Position als Brandherd Nummer eins abgelöst. Von Thomas Koch abgesehen, verfügt Rot-Weiß-Rot über keinen einzigen Center, an dem sich das Angriffsspiel einer Linie orientieren könnte.
Neben der eingeschränkten Kompetenz, dem Spiel Struktur zu verleihen, kennzeichnen die Nominierten auf dieser Position vor allem fehlende Skills am Faceoff-Punkt, welche speziell bei der Besetzung hinterer Reihen von großer Bedeutung sind: Weder Daniel Oberkofler noch Thomas Hundertpfund konnten bei der letztjährigen B-WM mehr als 40 Prozent der Scheibenaufwürfe für sich entscheiden, in ähnlichen Sphären bewegt sich David Schullers Quote in der Liga. Der im letzten Testspiel gegen Kasachstan am Sonntag als Center getestete Daniel Welser gab schon im TV-Interview in der ersten Drittelpause an, sich am Bullypunkt nur schwer zurechtzufinden.

Class of 2010

Alternativen zu den Genannten gibt es. Auch jüngere, um den ursprünglichen Viveiros-Plan wiederzubeleben. Als der Teamchef 2010 noch KAC-Trainer war, lieferte das U20-Team das wohl beste Länderspiel einer österreichischen Mannschaft in den letzten fünf Jahren ab: Bei den World Juniors erntete die ÖEHV-Equipe stehende Ovationen von mehr als 5.000 kanadischen Fans, nachdem man bis zur 54. Minute famos mit Schweden - einer Mannschaft, bei der heute 16 der damals aufgebotenen 21 Spieler über einen NHL-Vertrag verfügen - mithalten konnte. Beim letzten internationalen Glanzlicht einer rot-weiß-roten Nationalmannschaft dominierte vor allem die erste Angriffslinie mit Dominique Heinrich, Konstantin Komarek und Andreas Kristler. Gegen Spieler, die ihr Geld heute größtenteils in der stärksten Liga der Welt verdienen, überzeugten sie mit großem Spielwitz und hielten entgegen anderslautenden Prognosen auch körperlich mit. Im Kader für die Olympia-Qualifikation fehlen die Hoffnungsträger von 2010 ebenso wie Defensivverteidiger Sven Klimbacher, der jüngst in der European Trophy eindrucksvoll belegte, auch auf internationalem Level kompetitiv zu sein.

16 olympialose Jahre?

Allen Problemfeldern und suboptimalen Entscheidungen im Vorfeld des Turniers zum Trotz, das Team Austria hat in Bietigheim-Bissingen nicht die schlechtesten Chancen, sich das Ticket für Sochi 2014 zu sichern. Kann man die Hürden Italien und Niederlande überspringen, wartet mit großer Wahrscheinlichkeit ein "Finalduell" gegen eines der wohl verwundbarsten deutschen Nationalteams der letzten Jahre. Gelingt die Qualifikation, hat Emanuel Viveiros mit der Abkehr von seinem angekündigten Weg der Erneuerung recht behalten. Klappt es nicht, folgt der Katzenjammer und eine Ausdehnung der bereits jetzt längsten Zeitspanne ohne Olympia-Teilnahme in der Geschichte des österreichischen Eishockeys. (Hannes Biedermann; derStandard.at; 4.2.2013)