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Der Raucheranteil bei Jugendlichen mit Müttern, die keinen Schulabschluss haben, ist fast doppelt so hoch wie bei Jugendlichen mit Müttern, die Matura haben.

Foto: APA/AP/DANIEL OCHOA DE LOZA

Jugendliche rauchen häufiger, treiben seltener Sport, sind öfter übergewichtig und schätzen ihre eigene Gesundheit schlechter ein, je niedriger der Bildungsabschluss ihrer Mutter ist. Eine gesundheitliche Ungleichheit zeigt sich bereits bei Neugeborenen: Mütter mit höherer Bildung bringen seltener Frühgeburten und Kinder mit niedrigem Geburtsgewicht zur Welt. Das sind die Ergebnisse einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) auf Grundlage von Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP).

"Die Gesundheit von Kindern wird nicht nur durch die Genetik bestimmt", erklären die Studienautoren Jan Marcus und Daniel Kemptner. "Eine maßgebliche Rolle spielt auch die elterliche Bildung, etwa indem sie das eigene Gesundheitsbewusstsein erhöht und sich dieses Verhalten auf die Kinder überträgt." Die Ergebnisse verdeutlichen, dass Bildungsinvestitionen Einfluss auch auf nichtmonetäre Indikatoren wie die Gesundheit haben. "Bildungspolitik ist auch Gesundheitspolitik", so DIW-Ökonom Marcus.

Sechs Indikatoren haben die Forscher für die Studie untersucht, um die Gesundheit und das gesundheitsbezogene Verhalten von Kindern und Jugendlichen zu beurteilen: Bei Neugeborenen wurden die Häufigkeit von Frühgeburten und niedrigem Geburtsgewicht herangezogen, bei Jugendlichen das Rauch- und Sportverhalten, das Körpergewicht sowie die subjektiv empfundene Gesundheit.

Gesundheitliche Unterschiede von Geburt an

Die Untersuchungen zeigen, dass das Risiko einer Geburt vor Vollendung der 37. Schwangerschaftswoche zunimmt, je niedriger der Schulabschluss der Mutter ist: Mit einem Hauptschulabschluss ist die Wahrscheinlichkeit im Vergleich zur Matura fast doppelt so hoch.

Ein ähnliches Bild zeigt sich beim Geburtsgewicht. Während mehr als jedes fünfte Kind von Müttern mit Hauptschul- oder Realschulabschluss bei der Geburt ein Gewicht von weniger als 3.000 Gramm aufweist, ist dies nur bei 13 Prozent der Kinder von Müttern mit Matura der Fall.

Unsicher ist jedoch bei beiden Beobachtungen, ob es sich lediglich um eine Gleichzeitigkeit (Korrelation) handelt oder ob die Bildung der Mutter ursächlich (kausal) ist für die Gesundheit von Neugeborenen.

Werden die Modellspezifikationen bei den Regressionsanalysen durch Informationen über die Großeltern ergänzt und somit Mütter mit ähnlichen Voraussetzungen verglichen und zudem unbeobachtete Faktoren wie genetische Veranlagungen und das familiäre Umfeld heraus gerechnet, zeigt sich, dass die geschätzten Effekte eines zusätzlichen Bildungsjahrs der Mutter nicht mehr statistisch signifikant sind. Möglicherweise ist dies aber nur auf einen zu geringen Stichprobenumfang zurückzuführen.

Übergewicht, Rauchen und Sportverhalten

Für Jugendliche lassen die Untersuchungen vermuten, dass der Schulabschluss der Mutter einen erheblichen Einfluss auf das gesundheitsbezogene Verhalten hat. So ist der Raucheranteil bei Jugendlichen mit Müttern, die keinen Schulabschluss haben, fast doppelt so hoch wie bei Jugendlichen mit Müttern, die Matura haben. Auch die Wahrscheinlichkeit für Übergewicht ist höher, je niedriger der Schulabschluss der Mutter ist.

Ein besonders deutliches Bild zeigt sich beim Sportverhalten der Jugendlichen: Die Wahrscheinlichkeit, wöchentlich Sport zu treiben, ist bei Jugendlichen, deren Mutter Matura hat, dreimal so hoch wie bei Jugendlichen, deren Mutter keinen Schulabschluss hat.

Analog zu den Neugeborenen lässt sich nicht für alle Indikatoren zweifelsfrei feststellen, ob das Bildungsniveau der Mutter direkt ursächlich ist für die Beobachtungen. Das gilt in erster Linie für jugendliche Söhne.

Begrenzung sozialer Aufstiegschancen

Für die Töchter konnten die Forscher den Effekt des Bildungsniveaus auf das Rauch- und Sportverhalten aber kausal nachweisen: Ein zusätzliches Bildungsjahr der Mutter reduziert die Wahrscheinlichkeit, dass die Tochter raucht, um 7,5 Prozent und die Wahrscheinlichkeit, dass die Tochter unsportlich ist, um 7,4 Prozent. "Dass sich die Effekte bezüglich des Geschlechts des Kindes unterscheiden, ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass die Mutter stärker für ihre Töchter als für ihre Söhne als Rollenvorbild wirkt", erklärt DIW-Ökonom Daniel Kemptner.

Die Erkenntnisse des DIW Berlin betreffen neben der Bewertung von Bildungsinvestitionen auch Fragen der sozialen Mobilität innerhalb der Gesellschaft. "Eine gesundheitliche Ungleichheit besteht von Geburt an. Die daraus resultierende soziale Ungleichheit wird sozusagen vererbt", sagt Jan Marcus. "Wenn ein geringes Bildungsniveau der Mutter die Startchancen des Kindes durch schlechtere Gesundheitsaussichten beeinträchtigt, sinkt auch die Wahrscheinlichkeit eines sozialen Aufstiegs des Kindes." (red, derStandard.at, 4.2.2013)