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Wolfgang U. war Mittelsmann beim spektakulären Diebstahl von Kundendaten bei der Credit Suisse.

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Wien - Das Steuerabkommen zwischen Österreich und der Schweiz ist gerade einen Monat in Kraft, und schon beschäftigt es die heimische Justiz. In dem vor Gericht anhängigen Fall geht es allerdings nicht um die Verfolgung von vermeintlichen Steuerhinterziehern, sondern um das strittige Erbe des Datendiebes Wolfgang U.

Dieser Tiroler Unternehmer war der Mittelsmann beim Verkauf von in der Schweiz gestohlenen Bankkundendaten an Steuerfahnder in Nordrhein-Westfalen. Für die Weitergabe der Daten bekam er gemeinsam mit einem Freund und Komplizen 2,5 Millionen Euro, das Geld wurde von den deutschen Behörden auf Konten in Österreich, Deutschland und Tschechien verteilt. Kurz nach Abschluss des Deals flog der Tiroler auf und wurde verhaftet. Er nahm sich im September 2010 in der Schweizer Untersuchungshaft das Leben.

Seither prozessieren seine Erben, die Eltern, um das Geld aus dem Datendeal, das von der Schweizer Bundesanwaltschaft als Erlös aus einer Straftat angesehen und daher beansprucht wird. Derzeit ist nach Standard-Informationen ein Verfahren vor dem Oberlandesgericht Innsbruck in dem Fall anhängig. Dabei müssen die Richter auch über die Auslegung des Schwarzgeldabkommens zwischen Österreich und der Schweiz entscheiden.

Das von Finanzministerin Maria Fekter ausgehandelte Abkommen sollte eigentlich einen umfassenden Rechtsfrieden bringen: In der Schweiz verstecktes Vermögen wird nachbesteuert, ohne dass die Hinterzieher mit einer Strafverfolgung rechnen müssen. In den Vertrag wurde auch eine Klausel zum Schutz von Datendieben aufgenommen. Sämtliche Strafverfahren im Zusammenhang mit den berüchtigten Steuer-CDs müssen in Österreich und in der Schweiz eingestellt werden, die Klausel gilt auch rückwirkend für anhängige Fälle.

U. kommt die Vereinbarung nicht mehr zugute, doch der Anwalt der Familie argumentiert, dass die Gelder aus dem Datenverkauf nicht mehr beschlagnahmt werden können, weil es sich ja laut Abkommen nicht mehr um den Erlös aus einer Straftat handelt. In Österreich wird über rund 780. 000 Euro gestritten, die auf einem Dornbirner Konto liegen, sowie um die Auszahlung einer von U. abgeschlossenen Lebensversicherung (ursprünglicher Wert: 100.000 Euro).

Begehrtes Geld in Dornbirn

Mit dem Fall beschäftigt sich derzeit auch die Generalprokuratur in Wien. In einem ersten Entscheid 2012 - also vor Inkrafttreten des Schwarzgeldabkommens - hat das Gericht in Innsbruck der Beschlagnahme der Gelder zugestimmt. Lediglich aufgrund von Formalfehlern auf Schweizer Seite musste das Verfahren erneut aufgerollt werden. Der Anwalt der Familie hat bei der Generalprokuratur eine Nichtigkeitsbeschwerde an den Obersten Gerichtshof gegen den Innsbrucker Erstentscheid angeregt. Ob die Prokuratur tätig wird, soll sich in den kommenden Wochen entscheiden.

Der Fall U. erregt auch deshalb so viel Aufmerksamkeit, weil er neben rechtlichen Problemen die moralische Frage aufwirft, ob ein Datendiebstahl gerechtfertigt sein kann, wenn damit ein Staat an hunderte Millionen hinterzogener Steuern herankommt. Das Finanzministerium in Nordrhein-Westfalen gibt an, dass sich im Zuge der Steuer-CD-Affäre 6000 Personen selbst angezeigt haben. Die Rede ist von Mehreinnahmen in Höhe von 300 Millionen Euro.

Zudem hält die Affäre mehrere Staaten auf Trab: Wie in Österreich wird in Tschechien um die Gelder prozessiert. Ebenso in der Schweiz, wo die Eltern des Verstorbenen im Dezember mit einer Beschwerde gegen die Beschlagnahme in Österreich beim Strafgericht in Bellinzona abgeblitzt sind. Der Fall sorgt zudem für diplomatische Querelen. Bei U. wurden SMS und E-Mails der Steuerfahnder aus Nordrhein-Westfalen sichergestellt, weshalb die Schweizer Bundesanwaltschaft 2012 gegen drei deutsche Beamte einen Haftbefehl erlassen hat.

Bittere Ironie zum Schluss: Wie die NZZ berichtete, hat sich inzwischen auch die Zürcher Steuerverwaltung eingeschaltet, die den Erlös aus dem Datendeal gern besteuern würde. (András Szigetvari, DER STANDARD; 2.2.2013)