Makellose Zähne kosten derzeit viel Geld.

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Sowohl die Kassen als auch die Zahnärztekammer wünschen sich einen neuen Leistungskatalog.

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Wien - In wenigen Jahren feiert der Honorarvertrag zwischen der Zahnärztekammer und den Krankenkassen ein eigenartiges Jubiläum: Er wird 60. Tatsächlich stammt er aus 1957, was bedeutet, "dass nur Zahnbehandlungen bezahlt werden, die damals State of the Art waren", sagt der Sprecher der österreichischen Zahnärztekammer, Claudius Ratschew. Schon vor knapp zwei Jahren habe man daher dem Hauptverband ein Reformpapier vorgelegt, seither sei aber nichts passiert. Dahinter vermutet Ratschew Uneinigkeit zwischen den einzelnen Krankenkassen. Die Sache erschwert, dass es im Unterschied zu anderen Medizinern bei Zahnärzten keine Ländervereinbarungen, sondern einen bundesweiten Vertrag gibt.

Im Hauptverband sieht man das anders. Hansjörg Schelling, der am Donnerstag als Vorsitzender der Dachorganisation der Sozialversicherungsträger wiedergewählt wurde, zog tags zuvor Bilanz seiner ersten, vierjährigen Amtszeit. Da es in dieser Zeit gelungen ist, fast alle Kassen in die schwarzen Zahlen zu bringen und weitgehend zu entschulden, will Schelling in weiterer Folge in den Leistungsausbau gehen. Und da kommt die Zahnärztekammer ins Spiel: Mit dieser will Schelling verhandeln, damit in Zukunft Zahnspangen oder Implantate weniger aufs Börsel der Patienten schlagen - zumindest, wenn es sich nicht um kosmetische, sondern um medizinisch indizierte Korrekturen handelt.

Genau in dieser Frage liegt freilich der Knackpunkt der Verhandlungen. Im Hauptverband geht man davon aus, dass zum Beispiel 60 Prozent der Zahnspangen überflüssig seien oder gar nicht verwendet würden. Außerdem vermutet man die ärztliche Angst vor niedrigeren Honoraren, schließlich können die Preise in den Ordinationen nicht mehr frei gestaltet werden, wenn es sich um Kassenleistungen handelt.

Die Kammer weist das weit von sich. Laut Sprecher Ratschew schwebt den Zahnärzten etwa ein Honorarmodell vor, bei dem der Patient eine finanzielle Basisleistung für einen verlorenen Zahn oder eine Zahnregulierung bekommt - um dann selbst zu entscheiden, wie er diese behandeln lässt und wie viel er aus eigener Tasche drauflegt. Beide Seiten beteuern im Standard-Gespräch, man wäre jederzeit startklar für Verhandlungen.

"Keine Sparkassen"

Als zweiten Bereich für möglichen Leistungsausbau nannte Schelling psychologische, psychotherapeutische und psychiatrische Behandlungen. Ein besonderes Defizit gebe es hier bei der Kinderpsychiatrie, aber auch im Bereich Burnout und Rehabilitation. Insgesamt, so schätzt der Hauptverbands-Chef, könnten "deutlich über 100 Millionen" in den Leistungsausbau fließen. Die Krankenkassen seien schließlich "keine Sparkassen".

Möglich wird der Leistungsausbau, weil die Kassen seit 2009 sukzessive konsolidiert werden. Für das Erreichen von Zielen (etwa durch Einsparungen bei Honoraren oder Medikamentenkosten) gibt es Geld vom Bund. Einzig in Wien, wo das Defizit am größten war, dauert die Entschuldung der Gebietskrankenkasse noch.

Dem Wunsch nach mehr Ärzte-Stellen erteilte Schelling übrigens eine Abfuhr. Da gebe es in Österreich - wie bei den Spitalsbetten - eine deutliche Überversorgung. Allerdings denke man über Anreizsysteme für Landpraxen nach. (Andrea Heigl, DER STANDARD, Printausgabe, 1.2.2013)