Mikrobiologische Probenahme am Weltraumteleskop Herschel.

Foto: ESA/DLR

Mit ihrer Fähigkeit, auch an den unwirtlichsten Orten zu überleben stellen manche Bakterienarten Weltraummissionen vor besondere Herausforderungen. Die Raumfahrzeuge, die auf große Reise ins All gehen, sollen so sauber und keimfrei wie möglich sein. Die Gefahr einer biologischen Verunreinigung anderer Planeten durch Mikroorganismen ist real. Dies würde die Suche nach außerirdischem Leben erschweren oder sogar unmöglich machen.

Raumsonden werden deshalb in sogenannten "Reinräumen" unter strengen Biokontaminationskontrollen zusammengebaut. Trotzdem gibt es Mikroorganismen, die mit den dort herrschenden extremen Bedingungen, wie Trockenheit, Nahrungsmangel oder Desinfektionsmitteln sehr gut umgehen können. Deshalb muss die mikrobielle Artenvielfalt in den Reinräumen und auf den Oberflächen der Raumfahrzeuge ermittelt werden. Das Leibniz-Institut Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen (DSMZ) bietet jetzt mit der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) die erste öffentliche Stammsammlung von extremotoleranten, also sehr widerstandsfähigen Bakterien an.

Die Sammlung stellt eine wichtige Ressource für Forschungsinstitute und die Industrie dar, um Anpassungsmechanismen von Bakterien (Resistenz gegenüber Hitze, UV-Strahlung, ionisierende Strahlung, Austrocknung, Desinfektionsmitteln) zu untersuchen. Das Journal "Astrobiology" berichtete darüber in seiner aktuellen Ausgabe.

Passende Dekontaminationsstrategien gegen blinde Passagiere

"Für jede Weltraummission ist eine maximal erlaubte biologische Belastung definiert", informiert Rüdiger Pukall, Mikrobiologe an der DSMZ. "Man spricht dabei in der Raumfahrt von "Planetary Protection". Unter diesem Begriff werden alle Maßnahmen zusammengefasst, die verhindern sollen, dass terrestrische Lebensformen, wie etwa Mikroorganismen, im Rahmen von interplanetaren Raumfahrtmissionen Planeten und andere Himmelskörper kontaminieren. Als wichtige Kontrollfunktion wird die Artenvielfalt der mikrobiellen Gemeinschaften auf den Materialien der Weltraumfahrzeuge oder ihrer Umgebung, in den sogenannten "Reinräumen" in denen sie gefertigt werden, analysiert. Ziel ist es dabei, passende Dekontaminationsstrategien zu entwickeln, sonst startet man mit blinden Passagieren zur nächsten Marsmission."

Die Probenahme der Bakterien in den Reinräumen stellte die Forscher vor besondere Herausforderungen. "Um keine fremden Keime oder Verschmutzungen einzubringen, arbeiten die Mikrobiologen in Schutzanzügen mit Mundschutz", berichtet der Mikrobiologe Rüdiger Pukall. "Mit speziellen Tupfern oder Wischtüchern wurden die Proben zum Beispiel von verschiedenen Bauteilen des Weltraumtelekops Herschel und seiner Umgebung nach strengen Standardprotokollen der ESA genommen, damit so viele Bakterienarten wie möglich erfasst werden. Später isolierten die Kollegen der Universität Regensburg und des DLR in Köln die Kulturen mit verschiedenen Kultivierungsstrategien."

Das DSMZ-Team um Pukall in Braunschweig identifizierte anschließend die Bakterienstämme mittels einer Sequenzanalyse des 16S rRNA Gens. Die Bakterien wurden langzeitkonserviert, das heißt gefriergetrocknet und in flüssigem Stickstoff eingelagert. Nicht kultivierbare Bakterien wurden nach Extraktion der gesamten genomischen DNA aus den Proben ebenfalls über Sequenzierung identifiziert.

Eine Sammlung von "Überlebenskünstlern"

Der Kern der besonderen Sammlung besteht aus etwa 300 Bakterienstämmen, die aus den Reinräumen isoliert wurden. Alle Bakterien gehören der Risikogruppe 1 oder 2 an. Ein großer Anteil an Isolaten ist den Gram-positiven Bakterien zuzuordnen, wobei hier Sporenbildner aus der Gattung Bacillus sowie Micrococcus und Staphylococcus vertreten sind. Bei den Gram-negativen Bakterien kommen vor allem die Gattungen Acinetobacter, Pseudomonas und Stenotrophomonas vor. Kürzlich konnte die ESA Stammsammlung um weitere 60 Isolate dieser Gattungen ergänzt werden. Weitere fünf Reinraumisolate wurden vom NASA Jet Propulsion Laboratory (USA) zur Verfügung gestellt. (red, derStandard.at, 02.02.2013)