"Esoterisches Denken ist an Universitäten völlig fehl am Platz."

Foto: Fotostudio Voigtländer

Bild nicht mehr verfügbar.

Eine von vielen parawissenschaftlichen Methoden: die Klangschalentherapie.

In Österreich floriert das Geschäft mit parawissenschaftlichen Methoden. Die Menschen erhoffen sich Hilfe in Engelsessenzen, Astromedizin und Tarotkarten. Krista Federspiel erklärt sich diesen Trend in dem Bedürfnis nach dem Gebundensein in einem größeren Ganzen, in einer "universellen Energie".

derStandard.at: Warum ist der Markt für Parawissenschaften so groß?

Federspiel: Wir leben in unsicheren Zeiten. Engelsessenzen, Tarotkarten oder die Astrologie bieten da Hilfen, um sich daran festzuhalten. Hinzu kommt, dass in unserer Konsumgesellschaft einige Menschen mehr haben als sie brauchen. Nach dem Motto: Man gönnt sich ja sonst nichts, wählt man Besonderes, exotische Produkte oder Offerte, die mit magischen Vorstellungen verbunden sind. Es geht weniger darum, ob diese Produkte wirken, sondern vielmehr darum, welche Gefühle sie bewirken, welchen Wünschen, Illusionen und Vorstellungen sie entsprechen. Mit magischen Handlungen kann man vielleicht das Schicksal bannen. Sinnprodukte wollen ausgleichend, harmonisierend wirken - und das scheint wichtiger zu sein als der tatsächliche Effekt. Das ist wie ein Placebo bei den Medikamenten. 

derStandard.at: Sind die Versäumnisse in der medizinischen Versorgung der Patienten für dieseen Trend verantwortlich?

Federspiel: Nein, aber wenn eine Therapie abgeschlossen ist und Patienten nur mehr zur Kontrolle kommen müssen, fallen einige in ein Loch, die so genannte therapeutische Lücke. Und in dieser Situtation suchen Menschen dann eine Begleitung. Es gibt durchaus Ärzte, die ihre Patienten sehr gut weiter betreuen. Leider hat die Psychologie aber bei uns nach wie vor einen negativen Touch und daher werden viel zu selten klinische Psychologen in der therapeutischen Lücke angesprochen. Die klinische Psychologie kann aber sehr hilfreich sein, die Krankheit in die Lebenskarriere zu integrieren und den Umgang damit zu verbessern. 

Psychoonkologen beispielsweise betreuen speziell krebskranke Menschen, allerdings muss der Großteil dieser Therapie privat bezahlt werden. Eigenartig ist, dass die Patienten lieber hohe Kosten für Wunderheilungen in Kauf nehmen, als für eine professionelle Betreuung Geld auszugeben.

Eine neue Studie von der Uni Erlangen hat festgestellt: je absurder das Konzept einer Alternativtherapie ist, umso schneller verbreitet sich diese am Markt und umso länger hält sie sich. Das ist für mich schon ein Hinweis drauf, dass Menschen nicht rational reagieren, sondern dass die Emotion viel intensiver angesprochen wird.

derStandard.at: Studien zeigen, dass der Glaube an Übernatürliches in der Bevölkerung steigt. Wo bleibt die menschliche Ratio?

Federspiel: Die Kritikfähigkeit in Österreich hat sich immer in Grenzen gehalten. Das liegt meiner Meinung nach in der Geschichte begründet - einerseits an der katholischen Erziehung, andererseits an 200 Jahren Absolutismus. Es ist auffallend, dass esoterisches Gedankengut dort floriert, wo traditionell die katholische Kirche zu Hause ist. Das kann man im ganzen deutschen Sprachraum sehen: Nicht nur Österreich ist ein Paradies für Parawissenschaften, sondern etwa auch die katholischen Regionen in Deutschland und in der Schweiz. In gleichem Maße, wie sich die Menschen von der Kirche abwenden, steigt der Einfluss der Esoterik. Es gibt wohl ein Bedürfnis nach, diesem Gebundensein in einem größeren Ganzen, in einer "universellen Energie". Gott wird durch das Wort Energie ersetzt, der Glaube durch den Ego-Trip. 

derStandard.at: Was haben Sie mit Ihrem Engagement in der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) schon erreicht?

Federspiel: Einen Gläubigen kann man nicht von seinem Glauben abbringen. Der Glaube ist ein abgeschlossenes System, der die Emotion anspricht und nicht das Gehirn. Ein Gläubiger müsste dieses System, sein Weltbild, verlassen, sonst kommt man mit rationalen Argumenten nicht an ihn heran. Und das geht nur durch eine große Erschütterung. Eine esoterische Einstellung verhindert eine kritische Distanz und vernebelt das kritische Denken. Die Ratio hingegen ist frei und offen für neue Argumente, da kann man seine Meinung ändern, ohne dass man zu sehr erschüttert wird. Wir können als Verein für kritisches Denken nur jene erreichen, die noch Fragen stellen. Wir bieten Informationen an, wir missionieren aber nicht.

derStandard.at: Wo sehen Sie die größten Gefahren von Parawissenschaften?

Federspiel: Gefährlich ist, dass in der akademischen Welt keine "Selbstreinigung" erfolgt. Das esoterische Denken setzt sich sogar in den Universitäten fest - und ist dort völlig fehl am Platz. Das mag womöglich auch daran liegen, dass die Universitäten Geld herbeischaffen müssen. Und wer Geld spendet, bekommt dort auch seinen Platz.

Es gibt beispielsweise seit neuem ein Kolleg in Graz für "Energy Medicine", das sich mit der "Physik der Feinstofflichkeit" beschäftigt und mit einem akademischen Grad abschließt. Dass sich die Wissenschaft nicht genug von solchen Absurditäten distanziert, halte ich für sehr problematisch. 

Die zweite Gefahr ist die Lehrerausbildung, hier wird zu wenig darauf geachtet, wissenschaftliches, kritisches Denken zu verbreiten. Und das setzt sich dann bei den Schülern fort. Auch bei einem Teil der Ärzteschaft fehlt eine wissenschaftliche Reflexion. (Sophie Niedenzu, derStandard.at, 1.2.2013)