Wien - "Wenn Sie zwei Leuten, die das Gleiche tun, ohne Begründung unterschiedlich viel zahlen." Für Motivationsforscher Lutz von Rosenstiel sind Ungleichbehandlungen innerhalb einer Firma "Gift für die Motivation" der Mitarbeiter. Der Grund sei der soziale Vergleich, wie er im Interview mit "Spiegel Online" sagt. Leute tendieren dazu, sich im sozialen Gefüge anhand ihres Gehalts zu definieren. Hier spiele der Vergleich mit Kollegen eine große Rolle, so der emeritierte Professor für Organisations- und Wirtschaftspsychologie: "Wenn ein neuer Kollege für die gleiche Arbeit mehr bekommt, sind alle anderen frustriert." Ein höheres Gehalt müsse plausibel begründet werden.

Mitarbeiter fühlen sich nicht wertgeschätzt, wenn für Neuankömmlinge der rote Teppich ausgerollt werde, ihre eigene Arbeit aber nur als Selbstverständlichkeit wahrgenommen werde. Auch in puncto monetärer Honorierung. Intrinsische Motivation, also von Innen kommender Antrieb, spielt für die Leistungsbereitschaft eine wichtige Rolle, nichtsdestotrotz haben Stimuli von außen einen großen Einfluss. Und hier kommen Chefetagen ins Spiel.

Bedürfnisse der Mitarbeiter kennen

Motivationsspritzen, die von Führungskräften ausgehen, können unterschiedlicher Natur sein, erklärt von Rosenstiel. Während der eine auf ein höheres Gehalt anspringt, wird der andere über ein Mehr an Verantwortung angespornt. Um die individuellen Bedürfnisse befriedigen zu können, müssten Chefs einfach wissen, wie ihre Mitarbeiter ticken.

Je größer der Spaßfaktor im Job ist und je mehr Sinn der eigenen Tätigkeit attestiert wird, desto eher rückt das Gehalt in den Hintergrund, sagt von Rosenstiel. Es gebe auch Mitarbeiter, für die Geld eine vollkommen marginale Bedeutung habe. Bei der Bezahlung konstatiert er kulturelle Unterschiede: "In China wechseln Mitarbeiter wegen zwei oder drei Prozent Lohnunterschied die Firma. Geld spielt da eine enorm wichtige Rolle." Das sei in Deutschland kaum der Fall.

Gegen Bonisystem

"Zuckerln" wie Diensthandys oder Dienstwägen würden nur einen kurzfristigen Motivationsschub auslösen. Nach ein paar Wochen sei wieder alles beim Alten. Von der Vergabe von Gehaltsboni rät er generell ab. Es sei für Unternehmen schwierig, ein transparentes System zu installieren. Also objektive Kriterien zu definieren, wer in den Genuss kommt und wer nicht. Neid und demotivierte Mitarbeiter seien die Folge, warnt von Rosenstiel.

Nicht zu unterschätzen sei die Macht der Worte. Führungskräfte müssten ihren Untergebenen Feedback geben, etwa bei Jahresgesprächen oder sie gezielt fördern: "Die verbale Anerkennung ist extrem wichtig." Nicht unbedingt öffentlich, weil Eifersüchteleien innerhalb der Kollegen entstehen, sondern lieber unter vier Augen, rät er. Zum Vorbild könnten sich deutsche Chefs ihre Pendants in Skandinavien nehmen. Dort funktioniere der Austausch mit den Mitarbeitern besser - aufgrund der geringeren Machtdistanz: "Sie reden offen, und die Hierarchien sind nicht so ausgeprägt." (om, derStandard.at, 30.1.2013)