Ein Fächerflügler-Männchen der Art Stylops melittae; seine Größe liegt zwischen 4 und 5 Millimetern.

Foto: Dr. Heiko Bellmann

Bayreuth - Etwa 60 Arten von Fächerflüglern gibt es in Europa - Angehörige einer Ordnung kleiner Insekten, die fast ihr gesamtes Leben als Parasiten im Inneren anderer Insekten verbringen. An dieses Leben sind sie derart angepasst, dass sie selbst zur Paarung nicht ganz aus ihrem Wirt herauskommen. Zumindest gilt dies für die Weibchen der Fächerflüglerart Stylops melittae, wie die Universität Bayreuth berichtet.

Die ausgewachsenen Weibchen von Stylops melittae verbringen ihre gesamte Lebenszeit in ihren Wirten - oft sind es Sandbienen, Verwandte der Honigbiene, die keine Staaten bilden. Der Körper des Fächerflügler-Weibchens besteht im Wesentlichen aus einem lang gestreckten weißlichen Hinterleib, der die Biene nie verlässt, und einem Kopfbereich, mit dem sich das Weibchen bei Bedarf aus dem Hinterleib der Biene herausbohrt: Nämlich kurz vor der Geschlechtsreife.

Die geschlechtsreifen Männchen hingegen befreien sich völlig aus der Wirtsbiene. Sie sind mit großen, fächerartig zusammenfaltbaren Hinterflügeln ausgestattet und leben frei in der Natur, ohne dabei Nahrung aufzunehmen. Ihre Lebenszeit ist sehr gering, sie umfasst meistens nur wenige Stunden. Denn die Männchen haben nur eine Funktion: Sich mit Weibchen zu paaren.

Lockstoff identifiziert

Die Paarung kommt dadurch zustande, dass das Weibchen aus dem Kopfbereich ein Sexualpheromon ausstößt. Diesen Lockstoff - ein Aldehyd - nehmen die Männchen mit ihren großen, verzweigten Fühlern wahr. Wie hochempfindlich die Fühler auf den Lockstoff reagieren, haben Forscher der Uni Bayreuth um Siegfried Kehl und Stefan Dötterl mit Hilfe von elektrophysiologischen Messungen nachgewiesen. Die Wahrnehmung des Pheromons löst nun bei jedem Fächerflügler-Männchen den Impuls aus, der Spur des Pheromons zu folgen.

Ist das Männchen bei der Wildbiene angekommen, findet es den aus dem Hinterleib der Biene herausragenden Kopf des Fächerflügler-Weibchens vor. Mit seinem dolchartigen Begattungsorgan durchsticht das Männchen das Gewebe im Kopfbereich des Weibchens und pumpt seine Spermien hinein. Die Spermien wandern anschließend in den Hinterleib des Weibchens, wo sie dessen Eier befruchten.

Vermehrung auf Kosten anderer

Nach der Paarung entwickeln sich die befruchteten Eier im Hinterleib des Weibchens zu Larven, die lebend geboren werden. Sie werden vom Weibchen "ausgespuckt", so dass sie sich außen am Kopfbereich des Weibchens oder auf der Wirtsbiene befinden. Jede Larve ist dabei nur 0,4 Millimeter groß. Die Biene transportiert die Larven auf die von ihr besuchten Blüten; von hier werden sie dann auf diejenigen Bienen übertragen, die die Blüten als nächste besuchen. Diese nehmen die Fächerflügler-Larven mit in ihre Nester, wo sie sich in die jungen Bienenlarven hineinbohren und den Zyklus von Neuem beginnen lassen.

Leidtragende dieser Vermehrung sind die Bienen. Nicht nur dass sie ihren Parasiten unfreiwillig Nahrung liefern, sie müssen einen noch schlimmeren Nachteil hinnehmen: Befallene Bienenlarven können sich zwar zu einer erwachsenen Biene entwickeln, doch verlieren sie ihre eigene Fortpflanzungsfähigkeit. (red, derStandard.at, 26. 1. 2013)