Das erste bekannte Tier, das sich auch an einer Galaxie orientiert: der Skarabäus.

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Bei der experimentell aufwändigen Mistkäfer-Studie wurde einigen Mistkäfern Kappen aufgesetzt, damit von oben kein Licht in ihre Augen fiel.

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Lund/Wien - Warum ausgerechnet in Schweden die Mistkäferforschung blüht, wäre womöglich einmal eine eigene Forschungsfrage. Fest steht jedenfalls, dass erst im Vorjahr schwedische Biologen zwei große Skarabäus-Rätsel lösen konnten: Zum einen fanden sie heraus, dass die Käfer auf ihren Dungkugeln deshalb Drehtänze aufführen, weil sie sich auf diese Weise besser am Stand der Sonne orientieren können. Zum anderen klärten die Biologen mittels Käferpatscherl-Experiments, dass der Aufenthalt auf dem feuchten Mistball auch dazu dient, sich die heißen Füße abzukühlen.

Die neuesten Skarabäus-Untersuchungsergebnisse eines schwedisch-südafrikanischen Forscherteams um Marie Dacke von der Universität Lund stellen die erwähnten Studien in ihrer Bedeutung aber noch einmal in den Schatten - und ergänzen sie. Denn auch in der neuen Untersuchung geht es um das erstaunlich gute Navigationssystem der Insekten.

Ein gutes Navi ist für die dickleibigen Sechsbeiner deshalb so wichtig, weil die Käfer ihre Kugel möglichst schnell möglichst weit weg vom Dunghaufen in ihre Höhle rollen müssen. Wenn sie versehentlich den falschen Weg einschlagen und die Kugel wieder zurückrollen, besteht nämlich die Gefahr, dass Artgenossen ihnen ihre Kugel streitig machen.

Verkappte Mistkäfer

Für ihre neueste, experimentell aufwändige Mistkäfer-Studie testete das internationale Team um Dacke zunächst Skarabäen (Scarabaeus satyrus) in einer sternenklaren Nacht im südafrikanischen Freiland, wo sie die Tiere samt Dungkugel in eine kleine Arena setzten. Einigen Exemplaren hatten die Forscher Kappen aufgesetzt, so dass von oben kein Licht in ihre Augen fiel.

Diese Käfer rollten ihre Kugeln nun in Schlangenlinien durch die Arena, während jene Skarabäen, die den Himmel sehen konnten, halbwegs gerade von der Mitte der Arena zum Rand liefen. Damit lag die Vermutung nahe, dass die Käfer Lichter am Nachthimmel zur Orientierung nutzen. Weitere Experimente zeigten prompt, dass die tag- und nachtaktiven Insekten auch das Licht als Orientierungshilfe benützen.

Eine Beobachtung aber frappierte die Forscher: Die Skarabäen legten auch in mondlosen Nächten recht gerade Wege zurück. Die Biologen schlossen daraus, dass die Mistkäfer auch das Sternenlicht zur Orientierung nutzen könnten - was zunächst unwahrscheinlich erschien: Die Facettenaugen der Tiere können die meisten Sterne nicht als einzelne Lichtpunkte auflösen.

Um zu klären, welches Sternenlicht die Käfer nutzen, fuhren die Forscher samt Mistkäfern und der mobilen Versuchsarena deshalb ins Planetarium von Johannesburg. Dort wiederholten sie die Versuche, während sie verschiedene Himmelsbilder leuchten ließen. So krabbelten die Mistkäfer einmal unter einem sternenklaren Himmel mitsamt der Milchstraße, ein anderes Mal nur unter der Milchstraße oder nur unter einer Auswahl verschiedener Sterne.

Die Versuche zeigten eindeutig, dass die Käfer sich in mondlosen Nächten nicht an einzelnen Leitsternen orientieren, sondern an der Milchstraße, die im trockenen Südafrika deutlicher zu sehen ist als in Mitteleuropa. Die Tiere sind damit die ersten bekannten Insekten, die Sterne zur Navigation nutzen. Und dass eine Galaxie zur Orientierung dient, ist im Tierreich bisher überhaupt noch nie beobachtet worden. (tasch, DER STANDARD, 25.01.2013)