Leo Hemetsberger, Philosoph und Unternehmensberater.

Foto: Fallnhauser

In Krisen suchen wir nach Orientierung. Einfache Lösungen sind suspekt. Plattitüden und abgedroschene Phrasen schallen uns aus den Medien in die Ohren. Wie kann man da noch Richtig von Falsch unterscheiden? Wer verfügt über ausreichend Information, um daraus Wissen zu generieren? Tja, da hilft leider nur Nachdenken. Dazu braucht man Übung, Zeit und Muße, dann bringt man das Wesentliche auf den Punkt, damit es zum Springenden wird. Hierbei helfen Bücher - best analog medium ever -, und man sollte sich vernetzen - mit so vielen Menschen wie möglich und aus unterschiedlichsten Bereichen.

Neues entfaltet sich, wo Altes vergangen ist und im besten Fall zum tragfähigen Fundament wurde. Es ist eine Illusion zu glauben, dass es etwas gibt, das bleibt. Entstehen und Vergehen sind Grundbestimmungen des Seins, es verändert sich, man verändert sich, manchmal langsam, manches plötzlich ganz schnell. Wie agieren wir, damit wir diese Prozesse, die unser Leben sind, mitgestalten können? Nur zu reagieren ist der falsche Weg, denn wer die richtige Gelegenheit verpasst, den bestraft das Leben.

Philosophie bürstet die Meinung gegen den Strich

Gerade dann, wenn die Menge wieder wie Lemminge einer schillernden Modeströmung hinterherläuft, ein Schlagwort nachplappert, bis es vor lauter Gebrauch zur Unkenntlichkeit zerrinnt - jeder sprach von Flexibilität, redet gerade über Resilienz, die Kreativität soll als Nächstes endlich alles retten können -, tut es not, ein wenig innezuhalten und solchen Begriffen auf den Zahn zu fühlen. Das nehme ich mir unter anderem für diesen Blog vor.

Ich bin viel in Unternehmen unterwegs, als Teamentwickler und Executive Coach, und schreibe hier zu dem, was mir bei meinen Gesprächen so unterkommt oder aufstößt. Philosophie bürstet die Meinung gegen den Strich. Ohne Widerspruch entsteht nichts Neues, das ewig Gleiche stumpft in der Gewohnheit nur ab. Wir Philosophinnen und Philosophen suchen dazu immer einen neuen Anfang. In der entsprechend formulierten Fragestellung liegen schon die möglichen Antworten verborgen, also gilt es, hier achtsam zu bleiben.

Es ist wunderbar zu sehen, mit welcher Freude und Initiative Menschen gemeinsam Visionen entwerfen, Strategien formulieren, Ziele fokussieren und dazu Maßnahmen ergreifen und umsetzen. Ich begleite sie dabei, und das macht mir viel Freude.

Fehler und Rückschläge halten uns im besten Fall nicht ab, sie dienen als Motivatoren, es immer wieder zu versuchen, bis es entweder gelungen ist oder man daraus etwas gelernt hat und einen neuen Weg sucht - idealerweise. Dass es auch anders geht, versteht sich von selbst, man kann ja immer noch als schlechtes Beispiel dienen.

Themen

Für wen ich schreibe? Für alle, die an den Themen Wirtschaft und Arbeitswelt interessiert sind: zu Führung, Management, HR, Jobwechsel, Perspektiven und Strategien in Unternehmen und persönlicher Karriereplanung. Reden wir über ihre Philosophie, aktuelle Ethik-&-Compliance-Fragen, das große spannende Feld der Personalentwicklung.

"Der Mensch ist das Maß aller Dinge, der Seienden, wie sie sind, und der Nichtseienden, wie sie nicht sind." (Platon, Theaitetos, 152a)

Wozu ich das schreibe: um den Klebstoff des vermeintlich sicheren Wissens und der Gewohnheit zwischen meinen eigenen Neuronen immer wieder aufzulösen. Die Sehnsucht danach ist verständlich, sich ihr hinzugeben jedoch naiv und problematisch. Bleiben wir aufmerksam, streben wir nach der Weisheit in dem Bewusstsein, sie niemals erreichen zu können. (Leo Hemetsberger, derStandard.at, 5.2.2013)