Wenn Menschen Körperbilder betrachten, landen die visuellen Informationen zunächst im mittleren Okzipitallappen (mOC). Die "Fusiform Body Area" (FBA) und die "Extrastriate Body Area" (EBA) verarbeiten die Bilder anschließend weiter. Bei magersüchtigen Frauen ist die Verbindung vom Areal mOC zur FBA unbeeinträchtigt (schwarzer Pfeil). FBA und EBA arbeiten in der linken Hirnhälfte jedoch nicht normal zusammen (roter Pfeil).

Foto: Boris Suchan

Bochum - Wenn Menschen Bilder von Körpern ansehen, sind eine ganze Reihe von Hirnregionen aktiv. Dieses Netzwerk im Gehirn ist bei Frauen mit Magersucht (Anorexia Nervosa) verändert, berichten Wissenschaftler von der Ruhr-Universität in Bochum. In einer Kernspin-Studie waren zwei Regionen, die für die Verarbeitung von Körperbildern wichtig sind, bei magersüchtigen Frauen schwächer funktionell verbunden als bei gesunden Frauen.

Je stärker dieser "Verbindungsfehler" war, desto dicker fanden sich die Befragten. "Diese Auffälligkeiten im Gehirn könnten erklären, warum Frauen mit Magersucht sich selbst als dick wahrnehmen, obwohl sie objektiv untergewichtig sind", sagt Boris Suchan vom Institut für Kognitive Neurowissenschaft der Ruhr-Universität. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden nun in der Zeitschrift "Behavioural Brain Research" veröffentlicht.

Falsche Körperwahrnehmung

Die Wissenschaftler testeten zehn magersüchtige und 15 gesunde Frauen ähnlichen Alters. Zunächst gaben alle Frauen am Computer an, welche von mehreren unterschiedlich schlanken Silhouetten ihrer eigenen Körperform am ehesten entspricht. Zehn Kontrollpersonen, die nicht an der Kernspinuntersuchung teilnahmen, beantworteten die gleiche Frage, indem sie ein Foto der Probandin der passenden Silhouette zuordneten.

Sowohl Gesunde als auch Magersüchtige schätzten ihre Körperform anders ein als Außenstehende: Gesunde Probandinnen bewerteten sich selbst als dünner als die Kontrollpersonen. Magersüchtige Frauen hingegen nahmen sich selbst dicker wahr als die Kontrollgruppe.

Im Kernspintomografen zeichneten die Forscher dann die Hirnaktivität der 25 Teilnehmerinnen auf, während diese Fotos von Körpern betrachteten. Sie analysierten vor allem die Aktivität in der "Fusiform Body Area" (FBA) und der "Extrastriate Body Area" (EBA). Frühere Studien zeigten bereits, dass diese Hirnregionen für die Wahrnehmung von Körpern entscheidend sind.

Zu diesem Zweck berechneten die Bochumer Neurowissenschaftler die sogenannte effektive Konnektivität zwischen der FBA und EBA in beiden Hirnhälften. Sie ist ein Maß dafür, wie stark die Aktivität in mehreren Hirnarealen zeitlich korreliert ist, wobei eine hohe Korrelation auf eine starke funktionelle Verbindung schließen lässt.

Gehirn von Magersüchtigen strukturell und funktionell verändert

Die Verbindung zwischen FBA und EBA war bei magersüchtigen Frauen schwächer als bei gesunden Frauen. Außerdem fanden die Forscher eine negative Korrelation zwischen der EBA-FBA-Verbindung in der linken Hirnhälfte und der Fehleinschätzung des Körpergewichts. - Je schwächer die effektive Konnektivität zwischen EBA und FBA war, desto dicker schätzten sich die Probandinnen mit Magersucht fälschlicherweise ein.

"In einer früheren Studie haben wir festgestellt, dass es strukturelle Veränderungen im Gehirn von Patientinnen mit Anorexie gibt", sagt Boris Suchan. Sie haben eine geringere Dichte an Nervenzellen in der EBA. "Die neuen Daten zeigen, dass das Netzwerk für die Körperverarbeitung auch funktionell verändert ist", so der Mediziner.

Die EBA, die bei Magersüchtigen eine geringere Zelldichte aufweist, ist auch das Areal, das in der Verbindungsanalyse auffiel: Es bekommt einen verminderten Input von der FBA. "Diese Veränderungen könnten einen Mechanismus für die Entstehung der Magersucht darstellen", lautet das Resümee von Boris Suchan. (red, derStandard.at, 23.1.2013)