David Link ist für den kreativen Output der Wonderfactory verantwortlich. Er hat in Los Angeles Film studiert und war später Creative Director bei Modem Media, einer der ersten Digitalagenturen.

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Überall im Büro zu finden: Alkohol und Gimmicks.

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Die orientalische Ecke.

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Das Fernsehzimmer.

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Schnee liegt auf den Dächern der Silicon Alley, dem New Yorker Pendant zur kalifornischen Tech-Schmiede. Zwischen der 26. und der 32. Straße, im Herzen Manhattans, haben sich über die Jahre zwischen den großen Agenturen vielversprechende Start-Ups angesiedelt, um an der digitalen Zukunft zu partizipieren oder zumindest in der Nähe zu sein, wenn das nächste große Ding passiert.

Die inhabergeführte Digitalagentur "The Wonderfactory" hat sich in dieser Industrie einen besonderen Platz gesichert, denn dort wird gelebt, was Experten seit Jahren predigen: Qualitätsfördernder Umgang mit Online-Content, der abseits vom Print-Usus eigenständig präsentiert wird.

Kunde und König

Vor acht Jahren legten die Gründer David Link und Joe McCambley zur Firmengründung einen bescheidenen Geldbetrag auf ein gemeinsames Bankkonto, heute bauen sie Webseiten und mobile Applikationen für die Hearst Corporation, Time Inc., "Daily Beast", "Huffington Post", "Sports Illustrated" oder das "Life Magazine" - immer mit besonderem Augenmerk auf die Contentstrategie.

"Wir haben sehr viel über Inhalte gelernt", reflektiert Gründer David Link die letzten Jahre. Er gibt an zu wissen, "was die Leute mögen, was sie süchtig macht." Genau diese Erkenntnisse hatten Link bisher davon abgehalten, für Werbetreibende zu arbeiten. "Die Menschen sind nicht süchtig nach Marken, außer Frauen nach Mode und Männer nach Technologie und Sport. Aber das passiert nicht auf einer täglichen Basis. Meine Nachrichten aber konsumiere ich jeden Tag."

Der finanzielle Aspekt

Link sitzt in einem herrschaftlichen Ohrensessel im Roten Salon, einer von vielen Themenräumen, die die Wonderfactory zu einem der meistbeachteten Tech-Büros in den USA machen. Seit sechs Jahren hat das Büro hier seinen Standort, ist gewachsen und immer individueller geworden. Jetzt sei es Zeit zu expandieren, erzählt der Kreativdirektor. Er plant weitere Standorte in Kalifornien und London. Doch das kostet Geld, das vor allem in der Werbebranche zu finden ist.

"Unsere durchschnittlichen Projekte kosten derzeit zwischen 400.000 und 800.000 Dollar, aber die Zeitungen und Zeitschriften brauchen unsere Dienste nur alle drei Jahre. Marken hingegen geben dieses Budget jedes Jahr aus", erläutert Link die im Dezember erfolgte Öffnung in Richtung Werbung.

Das erste Werbeprojekt

Für Coca-Cola stellten die Kreativen Ende 2012 eine contentgetriebene Plattform vor, die mit den Instrumenten einer Nachrichtenseite arbeitet. Täglich aktualisierte Beiträge beschäftigen sich mit den Themen Gesundheit, Wirtschaft, Sport und Innovation, Leserbeiträge und Abstimmungen sorgen für Bewegung auf der bildlastigen Unternehmensseite.

Im Grunde genommen würde "The Wonderfactory" ihr Geschäftsfeld nicht verändern, sondern nur an die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen anpassen, argumentiert Link den Geisteswandel. "Achtzig Prozent der aktuellen Online-Werbung ist schlecht und die Spendings werden sich weiter erhöhen. Eine gute Ausgangssituation um das Werbegeschäft in den nächsten Jahren zu verändern."

Missstand: Informationen, mit denen man nichts tun kann

Der Werbeauftrag hat bei Fachmedien weltweit großen Eindruck gemacht, gelernt wurde das Handwerk allerdings in der Arbeit mit Zeitungen und Zeitschriften. "Vor zwanzig Jahren war Zeitungen die einzige Möglichkeit, Informationen mobil zu konsumieren. Heute entscheiden sich die Menschen oft für alternative Unterhaltungsmöglichkeiten wie Videos, Musik oder Fotos auf ihren multimedialen Endgeräten."

Der Grund liegt laut Link am Aufbau der US-Nachrichtenseiten, die generell sehr ähnlich strukturiert seien. Alle wichtigen Player würden mit denselben Nachrichten jonglieren, eine ähnliche Farbpalette in Rot, Blau und Weiß anwenden und - mitunter der wichtigste Punkt - Informationen anbieten, mit denen man nichts tun kann.

Aktionspotential für Artikel

Um diesen Missstand zu beseitigen, hat die Wonderfactory Möglichkeiten entwickelt, um Artikel nutzbar zu machen und die Informationen mit der realen Welt der Leser zu verknüpfen. Im steril gehaltenen Präsentationsraum zeigt Link am Beispiel des Reise-Ressorts der zu diesem Zweck erfundenen "Gotham News" seine Zukunftsvision für Zeitungen und Magazine.

Virtuelle Reiseplanung aus dem Archiv

Der User liest auf seinem iPad einen Bericht über Italien. Sein Interesse ist geweckt und er sucht im Archiv weiteren Content zum Thema. Im unteren Bildschirmteil öffnet sich ein personalisierter Bereich, in dem er die Artikel über Sehenswürdigkeiten, Restaurants und Hotels in Kartenform ablegen kann. Hat er seine Auswahl getroffen, kann er mit der Planung seiner Reise beginnen. Je nachdem wie er per Drag & Drop seine Karten ordnet, erstellt die Applikation Angaben zur Reisedauer, zeigt den Weg auf der Karte an, schlägt Übernachtungsmöglichkeiten vor und verhandelt all dies unter der Angabe von Budgetgrenzen zu Gunsten des Users.

Es bleibt beim Leser zu entscheiden, ob er die Reise inklusive Flug sofort buchen möchte oder sie für zukünftige Planung in Evidenz hält. Wichtig ist: Der Content wird direkt erlebbar und verbindet sich mit der realen Erlebniswelt. Ganz nebenbei ergeben sich daraus neue Geschäftsmodelle für die Publikationen.

Videospiel in der Sportberichterstattung

Auch der Sportberichterstattung kann nach Plänen der Wonderfactory Leben eingehaucht werden. Link präsentiert seine Idee am Beispiel eines Basketball-Artikels, in den eine Game-Engine der Videospielfirma EA Games eingebaut ist. Der Spielablauf wird durch Datenfeed und Statistiken sekundengenau nachgestellt, der User kann die Perspektive einzelner Spieler einnehmen oder selbst versuchen den entscheidenden Treffer zu erzielen. Die Anzahl der Versuche können in der Mobilversion den "Social Network"-Freunden eingeblendet werden, was diese möglicherweise zu weiteren Interaktionen veranlasst, etwa um den Rekord zu schlagen.

Für die praktische Umsetzung gibt es dabei allerdings einiges zu bedenken: Die App würde zwar in der Umsetzungskosten weniger kosten, da die Game Engine von EA Sports bereits stand-alone am iPad für viele Sportarten erhältlich ist und damit die Hauptarbeit vor allem in der Integration der Datenfeeds bestehen würde. Schwierig und teuer könnte dagegen die Klärung der Sportrechte werden, die zumeist mit Zahlungen an den Verband, den Club und die Spieler verbunden sind.

Erster Kandidat launcht im Februar 2013

"Wir stellen im Februar 2013 zum ersten Mal ein Magazin vor, das Content auf praktische Weise nutzbar macht", kündigt Link im Gespräch an. Bisher, erzählt er, hätten sich zwar viele Herausgeber von den Vorschlägen begeistert gezeigt, aber bei dem finanziellen Aufwand und dem fehlenden Beweis der Durchschlagkraft solcher Applikationen hätte noch keiner den Mut gehabt, die Konzepte umzusetzen.

Wunder kosten etwas

"Pro App kostet die Umsetzung etwa 500.000 Dollar, die Entwicklung dauert 16 Monate. Man kann natürlich auch auf eigene Faust fünf Programmierer engagieren, die eine datengetriebene, personalisierte Lösung entwickeln, dann kostet es wahrscheinlich die Hälfte unseres Preises", rechnet Link vor und fügt hinzu, dass die Wonderfactory nun mal ziemlich teuer sei. "Wenn man das für die fünf wichtigsten Kanäle umsetzt, kommt man auf 2,5 Millionen Dollar. Auf die Werbeeinnahmen von fünf Jahren gegengerechnet ist das nicht so schlimm und danach braucht man nur mehr Updates, die nicht mehr so stark ins Geld gehen."

Weitere Konzepte für das Tablet als Second Screen, das wie die App Shazam dem Programm lauscht und daraufhin verwandte Zeitungsartikel zu Thema, Protagonisten sowie E-Commerce-Angebote ausliefert oder imaginäre Content-Daten-Kooperationen zwischen dem Magazin "Runners World" und Nike+ liegen noch in der virtuellen Schublade.

Verschmelzung von Content und Werbung

Bis sich die ersten Verlage für die nächste Generation von "nützlichen" Nachrichten entscheiden werden, konzentriert sich "The Wonderfactory" auf die Verschmelzung von Content und Werbung. Wie es scheint, hat die Werbebranche derzeit weitaus weniger Scheu, sich an kostspieligen Innovationen für das digitale Zeitalter zu versuchen. (Tatjana Rauth, derStandard.at, 29.1.2013)