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Erstaunliche Motivforschung: Wehrpflicht-Befürworter wollten bei der Volksbefragung vor allem den Zivildienst erhalten.

Fotos: STANDARD/Fischer, APA/Pfarrhofer

Wählerströme im Detail.

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Wahlverhalten der bis 30-Jährigen.

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Wahlverhalten der über 60-Jährigen.

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Motive pro Wehrpflicht.

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Motive pro Berufsheer.

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Wer nicht abstimmen ging.

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Wer über 50 Jahre alt und männlich ist, außerdem ÖVP-Wähler und ehemaliger Grundwehrdiener (oder Zivildiener), der stimmte bei der Volksbefragung überdurchschnittlich oft für die Wehrpflicht. Das Berufsheer fand Unterstützung vor allem bei jungen Stimmberechtigten und Frauen. Und: Wer für die Wehrpflicht stimmte, der tat das vor allem weil er am Zivildienst festhalten wollte. Und die Wählerstromanalyse von SORA für den ORF zeigt: Die ÖVP konnte ihre Wähler der Nationalratswahl 2008 fast vollständig mobilisieren.

Details zu den Motiven und demographischen Unterschieden liefern eine SORA-Wahltagsbefragung und eine ATV/Hajek Wahlmotivbefragung.

Für Zivildienst Wehrpflicht behalten

Besonders überraschend: Laut SORA war der wichtigste Grund für die Wehrpflicht-Befürworter der, dass der Zivildienst erhalten bleiben soll. Praktisch keine Bedeutung hatten für die Befragten parteipolitische Präferenzen. 74 Prozent nannten den Zivildienst als Grund, die Wehrpflicht beizubehalten, 70 Prozent, dass Wehr- und Zivildienst ein wichtiger Beitrag der Jugend zur Gesellschaft seien. 63 Prozent führten den Katastrophenschutz an. Laut ATV/Hajek teilen sich die Motive pro Wehrpflicht wie folgt auf: Auf Platz eins: "Hat noch niemandem geschadet". Platz zwei wieder das Zivildienst-Motiv, auf Platz drei folgt das Kostenargument.

Dafür, dass der Zivildienst für viele entscheidend war, spricht auch die tatsächliche Ergebnisverteilung: In von Umweltkatastrophen besonders betroffenen Gemeinden ist das Ergebnis der Bundesheer-Volksbefragung vom Sonntag zum Teil von den jeweiligen Landes-Ergebnissen abgewichen. Am Auffallendsten war dies in jenen steirischen Gemeinden zu beobachten, die im vergangenen Sommer von schweren Murenabgängen und Überflutungen betroffen waren - dort votierten deutlich mehr Wahlberechtigte für die Wehrpflicht als im Land Steiermark.

Frauen stimmten eher gehen die Wehrpflicht

Und auch ein Geschlechtergefälle sticht massiv ins Auge. Die Männer traten laut SORA zu 64 Prozent für die Wehrpflicht ein, die Frauen nur zu 55 Prozent - wobei unter 30-jährige Frauen zu 72 Prozent für das Berufsheer votierten. Die Beteiligung der Frauen und Unter-30-Jährigen war allerdings unterdurchschnittlich, während die Älteren und Männer etwas stärker zur Volksbefragung gingen. ATV/Hajek erhob auch, wie Eltern mit wehrpflichtigen Kindern abstimmten: Sie stimmten zu 52 Prozent für das Berufsheer.

Junge für Berufsheer

Beide Umfragen ergaben eine deutliche Alterskluft: Die 16- bis 29-Jährigen stimmten zu 63 Prozent für das Berufsheer. Mit steigendem Alter wuchs die Begeisterung für die Wehrpflicht: Die 30- bis 59-Jährigen waren zu 61 Prozent und die über 60-Jährigen zu 71 Prozent für die Wehrpflicht. So stechen bei der Betrachtung nach Berufsgruppen auch die Pensionisten - mit 69 Prozent für das bestehende System - am stärksten hervor. Die Angestellten waren etwas stärker (47 Prozent) für das Berufsheer als die Arbeiter (33 Prozent).

Berufsheer-Befürworter begründeten ihre Entscheidung gegenüber SORA vor allem damit (zu jeweils 65 Prozent), dass das Berufsheer zeitgemäß wäre beziehungsweise der Wehrdienst jungen Männer unnötig viel Zeit koste. Laut ATV war das Argument, dass Profis besser arbeiten, vorrangig ausschlaggebend.

Schon längst entschieden

Interessant auch: Mit den massiven Mobilisierungsversuchen der vergangenen Tage dürften die Parteien keine große Wirkung gehabt haben. Die Entscheidung der meisten Volksbefragungs-Teilnehmer - 72 Prozent - stand nämlich schon seit längerem fest. Nur elf Prozent entschieden sich erst in den letzten Tagen - also in der Zeit, in der SPÖ und ÖVP vehement "Wahlkampf" betrieben. Und auch wenn die Haltung der Parteien als Entscheidungsgrund so gut wie nicht zählte, wussten die Stimmberechtigten zum allergrößten Teil schon, dass die SPÖ für das Berufsheer (80 Prozent) und die ÖVP für die Wehrpflicht (77 Prozent) eintrat, und ordneten auch FPÖ und Grünen die richtige Linie zu.

ÖVP mobilisierte am Besten

Die Volkspartei brachte 86 Prozent ihrer WählerInnen der Nationalratswahl 2008 dazu, sich an der Befragung zu beteiligen, 80 Prozent davon stimmten für die Wehrpflicht. haben sich in dieser Gruppe an der Volksbefragung beteiligt, wobei 80% der abgegeben Stimmen auf die Variante Wehrpflicht/Zivildienst entfielen.

Auch die Grünen konnten gut mobilisieren, die zwei Drittel ihrer Wähler die abstimmten sprachen sich zu 69 Prozent für das Berufsheer aus. Rot-Wähler gingen nur zu 69 Prozent wählen und entschieden sich nur zu zwei Drittel für das "Parteiprogramm" Berufsheer. FPÖ-Wähler blieben diesmal großteils zu Hause, wenn sie abstimmten, dann für die Wehrpflicht.

Wer nicht wählen ging

Die wichtigsten Motive der NichtwählerInnen für ihr Fernbleiben von der Befragung war die Ablehnung beider zur Wahl stehenden Möglichkeiten, eine vermutete Instrumentalisierung der Volksbefragung durch Parteien und unzureichende Informationen im Vorfeld, so SORA. Laut ATV/Hajek dominierten bei den Verweigerern "mangelndes Interesse am Thema" oder "keine Zeit".
Unterdurchschnittlich war die Wahlbeteiligung unter anderem bei Frauen sowie bei Personen unter 30 Jahren. Umgekehrt gingen ältere Befragte und Männer etwas stärker zur Volksbefragung.

Kampagnen zählten nicht

Und ginge es nach den Befragten, dann müsste die SPÖ sehr wohl personelle Konsequenzen ziehen: 40 Prozent meinten vor Bekanntgabe des Ergebnisses, Darabos solle bei einem Votum für die Wehrpflicht zurücktreten, nur 31 Prozent waren dagegen.

Und noch jemand anderer sollte, geht es nach den Umfragenergebnissen, besorgt sein: Der Boulevard. Die"Kronen Zeitung" konnte mit ihrer massiven Pro-Berufsheer-Kampagne nicht überzeugen. Auch ihre Leser entschieden sich bei der Volksbefragung heute, Sonntag, mehrheitlich - zu 56 Prozent - für die Wehrpflicht. (Anita Zielina, derStandard.at, 20.1.2013)