Seelenlandschaft, kollektiv: "Puz/zle".

foto: koen broos

St. Pölten - Auf den ersten Blick scheint das nicht zusammenzupassen. Menschliche Beziehungen in ihrer Beweglichkeit und Stein mit seiner Symbolik von Dauer.

In seinem jüngsten Stück Puz/zle schickt der belgische Choreograf Sidi Larbi Cherkaoui dieses ungleiche Paar dennoch auf die Bühne. Was bei diesem Metaphern-Tanz herauskommt, ist am Samstag um 19.30 Uhr einmalig im Festspielhaus St. Pölten zu begutachten.

Die zwölf betongrauen Platten, die Cherkaoui auf die Rampe schlichten lässt, sehen aus wie tonnenschwere Ungetüme. Doch siehe da, sobald die elf Tänzer diese Brocken anpacken, stellt sich heraus, dass deren tatsächliches Gewicht und ihr Aussehen in krassem Widerspruch zueinander stehen. Da gerät der Blick des Publikums kurz aus dem Gleichgewicht.

Cherkaoui, der Aufsteiger im europäischen Tanz der Nullerjahre, liebt die Choreografie von Konstellationen. Bücher, Bilder, Kisten oder jetzt eben Steinblöcke werden zu Arrangements geordnet und wieder umgeschichtet.

Emotionale Lasten

Diesmal treiben den Choreografen und seine Tänzer die unbegrenzten Variationen der Puzzles aus emotionalen Lasten und im gegenseitigen Zu- und Auseinander oft schwer werdenden Herzen um.

Wieder eine ausgeklügelte Arbeit des 36-Jährigen: von der Videokamerafahrt zu Beginn über die Artisterie der Darsteller bis hin zu den Livemusikern, dem korsischen Männergesangs-Sextett A Filetta, der libanesischen Mezzosopranistin Fadia Tomb El-Hage und dem stimmgewaltigen japanischen Perkussionisten Kazunari Abe.

Die Uraufführung von Puz/zle fand im Vorjahr in einem französischen Steinbruch bei Avignon statt, und ein solcher Landschaftseingriff wird auf der Bühne auch stilisiert nachgebaut. Darin wird Emotionsmaterial gebrochen. Hammer und Meißel werden zur Hand genommen: Sie kommen an Figuren aus Fleisch und Blut zum Einsatz - weil das Miteinander in unseren kollektiven Seelenlandschaften weniger schicksalhaft als vielmehr Ergebnis von Taten und Unta- ten ist. (Helmut Ploebst, DER STANDARD, 19./20.1.2013)