Familientherapeut, Autor und derStandard.at-Kolumnist Jesper Juul.

Foto: family lab

Diese Serie entsteht in Kooperation mit Family Lab Österreich.

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Eine Userin schreibt:
Wir sind eine Patchworkfamilie. Ich, mein Mann, mein fünfeinhalbjähriger Sohn und unser gemeinsamer Sohn mit neun Monaten. Jedes zweite Wochenende ist mein Sohn bei seinem Vater. An manchen Wochenenden sind auch die älteren Söhne meines Mannes bei uns. Die eigentlichen Schwierigkeiten erleben wir aber in den Nächten unter der Woche.

Die beiden kleinen Söhne schlafen dann bei mir im Doppelbett, mein Mann schläft auf einer Matratze im Kinderzimmer. Oder mein Mann schläft zusammen mit unserem gemeinsamen Sohn im Doppelbett und ich mit meinem auf der Matratze im Kinderzimmer. Die Kinder lieben es, aber ich und mein Mann nicht. Wir sind sogar schon ziemlich frustiert.

Da der Größere früher Angst davor hatte, allein zu schlafen, kam er immer zu uns ins Bett. Mit der Zeit wurde das zu einem Platzproblem. Deshalb fanden wir die beschriebene Lösung. Nun wacht der Kleine in der Nacht aber immer wieder auf, und der Größere wird dadurch in seinem Schlaf gestört. Mittlerweile sind wir alle sehr müde und kommen morgens kaum aus dem Bett.

Wir wollen nicht, dass unser Großer sich fürchtet, aber auch nicht, dass wir ständig in der Nacht von einem Fünfjährigen im Doppelbett aufgeweckt werden. Ich habe einfach nicht mehr die Kraft für dieses Chaos.

Jesper Juul antwortet:
Was für ein Durcheinander! Ich kann sehr gut verstehen, dass Sie und Ihr Mann frustriert sind. Sie müssen als Familie mit vielen Mitgliedern die unterschiedlichsten Bedürfnisse und Wünsche unter einen Hut bringen - auch Ihre eigenen.

So wie Sie die Entwicklung beschreiben, müssen Sie das Gefühl haben, dass Sie mit Ihren Bestrebungen gescheitert sind, vor allem nachts.

Alle Kinder sind auf sich selbst gestellt, weil es den Eltern nicht gelingt, ihre eigenen Bedürfnisse zu stillen und weil sie sich mehr oder weniger für die Bedürfnisse ihrer Kinder aufgeben.

Ihre Kinder haben offensichtlich unterschiedliche Schlafwünsche. Was sie brauchen, ist nicht die Erfüllung ihrer Wünsche, sondern eine klare Botschaft der Eltern. Es wird nicht das erste oder letzte Mal sein, dass sie sich einem Konflikt zwischen Wünschen und Bedürfnissen des täglichen Lebens wiederfinden.

Jetzt braucht es die elterliche Führung. Konzentrieren Sie sich dabei auf Ihr Wissen über die Bedürfnisse Ihrer Kinder und Ihre Fähigkeit, ihnen Grenzen zu setzen.

In Ihrer speziellen Situation meine ich, dass bis auf den Kleinen keines der Kinder bei Ihnen in Bett schlafen sollte. Der fünfeinhalbjährige Sohn hat vermutlich nicht wirklich Angst, er ist es einfach nicht gewöhnt, alleine zu schlafen. Es wird schon einige abendliche "Besuche" an seinem Bett brauchen, bis er tatsächlich alleine einschläft und auch durchschläft.

Zuerst müssen Sie und Ihr Mann sich gemeinsam klar darüber werden, was Sie wollen. Sobald Sie das wissen, berufen Sie ein Familientreffen ein, an dem alle Mitglieder teilnehmen. Fangen Sie damit an zu erzählen, wie frustriert und erschöpft Sie sind und dass Sie die Verantwortung dafür übernehmen. Dann teilen Sie den Kindern Ihre Entscheidung mit und erlauben Ihnen, darauf zu reagieren. Aber diskutieren Sie nicht zu lange darüber! Die Entscheidung ist gefallen, und dabei bleibt es auch.

Falls Sie jetzt denken, dass das ein zu hartes Verhalten ist - keine Sorge. Sie haben schon sehr lange jeden möglichen Respekt für die Bedürfnisse der Kinder gezeigt. Sie haben eine wunderbare Komfortzone für alle geschaffen und die Beteiligten liebevoll umsorgt.

Nun ist es an Ihnen, Prioritäten zu setzen. Fast die Hälfte aller ein- bis fünfjährigen Kinder dieser Welt schläft in der Nacht unruhig und unregelmäßig. Auch viele Ratschläge und Bücher können das nicht ändern. Insbesondere jene, die sich auschließlich auf die Bedürfnisse der Kinder, deren Eigenarten und schlechte Gewohnheiten konzentrieren.

Der Grund ist einfach: In diesem turbulenten Alter können die besten Eltern der Welt keine Ordnung und Harmonie in die inneren Zustände ihrer Sprösslinge bringen. Was sie aber machen können, ist, verlässliche und sichere Rahmenbedingungen zu schaffen. (Jesper Juul, derStandard.at, 20.1.2013)