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Es ist es erstaunlich, dass dem Management nichts weiter einfällt, als den Druck zu erhöhen.

"Das Management erhöht wieder den Druck." In letzter Zeit ein wieder häufiger zu hörender Satz. Offensichtlich eine quasi reflexartige Maßnahme bei müder werdender Konjunktur, diese Druckerhöhung. Allerdings, auch der Druck auf dieses druckerhöhende Management nimmt zu. In den Firmen wird nach Cashflow gesucht, die Kosten werden angeschaut, ein Einstellstopp und gelegentlich auch darüber Hinausgehendes wird ins Auge gefasst.

Und so macht auch ein weiterer bekannter Satz aufs Neue die Runde: "Alle Ausgaben stehen auf dem Prüfstand." Doch in der weitgehend durchrationalisierten Wirtschaft bleiben eigentlich nur die Personalkosten als wirklich einträgliche Einsparungsmöglichkeit übrig. Eine Möglichkeit, die allerdings ihre Schattenseiten hat. Schließlich haben die Verantwortlichen das knapper werdende Angebot am Arbeitsmarkt durchaus erkannt. Auch ist ihnen sehr wohl bewusst: Die zügige Reaktion auf eine wieder anziehende Konjunktur gelingt nicht ohne Personal, verlangt also zumindest das Halten der guten Leute in nicht so optimalen Zeiten.

Die Zeiten, in denen sich ein Mitarbeiter in einer Nische durch den Tag schleichen konnte, sind in den meisten Unternehmen längst vorbei. Das belegen zahlreiche Umfragen zur Arbeit während des Urlaubs, zu Belegschaften, die sich krank ins Büro schleppen, zu Mehrarbeit und Überstunden.

Wege nach unten

Muss in dieser Arbeitswelt der Druck erhöht werden? Kann er überhaupt noch erhöht werden? Stefan Müller von stefan müller personalperspektiven, Stuttgart: "Ich treffe zunehmend Führungskräfte, die einen Zwölf- bis 14-Stunden-Tag fahren. Und ich sehe immer drastischer die Folgen: Körper, Seele und Geist sind eben nicht zu trennen. Aus Druck wird Überforderung, in der Überforderung entsteht ein Gefühl der Ausweglosigkeit, aus diesem Gefühl Resignation und aus Resignation schließlich Depression. Dass zudem immer mehr Partnerschaften und Familien an der übermäßigen Arbeitsbelastung eines oder beider Partner zerbrechen, ist ebenfalls längst belegt. Und das schafft eine weitere Unberechenbarkeit und Belastung mit Auswirkungen in das Berufs- und Privatleben."

So gesehen ist es doch eigentlich erstaunlich, dass dem Management nichts weiter einfällt, als den Druck zu erhöhen. Und eigentlich auch wieder nicht. Denn "den meisten fällt auch für die eigene Situation nichts anderes ein". Und darin sieht Müller eine veritable Gefahr: " Alternativlose Selbstausbeutung führt zu alternativlosem Management." Und das in einer Zeit, in der eigentlich nichts so sehr gefragt ist in der Unternehmensführung als ein Denken, das sich von Rezeptbüchern verabschiedet, das neue Gedankenwege beschreitet, das Probleme aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet, das Alternativen einbezieht, das Systemzusammenhänge in den Blick nimmt und aus all dem für den Betrieb eine zeitgemäße strategische wie operativ-taktische Anpassungsfähigkeit aufbaut. Kurz ein Denken, das vom Mut zum Anderssein und zur Veränderung geprägt ist, auch und gerade im Blick auf das eigene Tun und Lassen.

Immerhin entpuppt sich das mehr und mehr als Gebot der Stunde. Nicht nur, weil die Globalisierung die Karten in der Wirtschaft neu mischt. Sondern weil sich zu Hause ähnlich Revolutionäres vollzieht. Müller: "In den Unternehmen geschieht eine Revolution von unten, die oben noch immer nicht wahrgenommen, geschweige denn verstanden wird. Während ein gewisser Teil der Nachwuchskräfte auf Karrieretrip ist und dafür alles in Kauf nimmt, entzieht sich ein anderer Teil zunehmend diesem vermeintlichen Zwang. Es wächst eine Generation heran, die ihr Leben und ihre eigene Bedeutung nicht mehr vornehmlich über die Arbeit definiert, sondern Leben und Arbeiten in einen stimmigen Kontext bringen will."

Diese Generation lasse sich weit weniger locken mit den Insignien von Macht, Besitz und Status. Also entfielen zum Beispiel auch Schulden als Antreiber und 'Bindungsinstrument' an ein Unternehmen oder einen Arbeitsplatz. "Warum sollte diese Generation für eine Eigentumswohnung oder gar ein Haus sparen, wenn sie es von den Eltern sowieso erbt?"

Hinzu käme, dass an den Hochschulen die Recruiter Schlange stünden. Müller: "Diese Generation weiß um ihre Marktchancen, sie hat gelernt, dass sie sich den Arbeitsplatz aussuchen kann, sie weiß, dass sie nicht alles mit sich machen lassen muss, sie kann woanders hin gehen."

Und sie weiß noch etwas, dass ihr Verhalten mitprägt. Immerhin sei das auch jene Generation, sagt Müller, "die ihre Väter und Mütter als wahrhaft 'abhängige' Beschäftigte erlebt oder - nicht selten - kaum erlebt hat, weil sie nicht zu Hause und - wenn doch einmal anwesend - nicht ansprechbar waren. Sie hat beobachtet, was das in den Beziehungen ausgelöst hat, setzt sich zusammen aus Scheidungskindern wie keine Generation zuvor, musste sich zwischen zwei Elternteilen entscheiden, ohne es zu wollen. Sie hat Herzinfarkte, Bandscheibenattacken und die Enttäuschung erlebt, dass nach Jahren der Verausgabung von einem Tag auf den anderen nichts mehr zählt."

Ansprüche an die Kultur

Diese jungen Menschen fragen nach dem Klima und der Kultur, in der sie arbeiten wollen, sie stellen das Management auf die Probe, ob Wertschätzung geheuchelt oder gelebt wird. Sie wollen eine Arbeitswelt, die Platz lässt für Selbstbestimmung und Kreativität, und sie wollen Zeit für sich selbst. "Sie fragen das nach und entscheiden danach", gibt Müller den druckerhöhenden Managern zu bedenken, wobei, so sein Eindruck, "dieses Wollen noch nicht so recht angekommen ist."

Das vermutlich deshalb, "weil dort die Generation der Baby-Boomer sitzt, die alle die Mechanismen gelernt und verinnerlicht hat, die plötzlich nicht mehr funktionieren sollen! Die mit Unverständnis auf die ' nachlassende Arbeitsmoral' reagiert und völlig übersieht, dass die nachwachsenden Mitarbeiter sehr wohl einen hohen Anspruch an die Qualität und Wertigkeit ihrer Arbeit haben, exzellent ausgebildet und leistungsfähig sind, an bedeutenden Projekten mitarbeiten und nicht nur ein Rädchen im Getriebe sein wollen, aber eben auf der Suche nach dem rechten Maß sind."

"Das Management erhöht wieder den Druck." Nicht nur aus zahlreichen Laufbahnberatungen weiß Müller: die nachgeordneten Ränge werden sich auf unterschiedliche Weise diesem Druck entziehen. Die älteren Jahrgänge werden selten aufbegehren oder von sich aus gehen, aber sie zerbrechen in zunehmendem Maße an diesem Druck, wie viele alarmierende Statistiken zeigen. Die Jüngeren erlauben sich etwas Ungeheuerliches: Sie funktionieren nicht mehr so, wie man es erwartet, der Pawlow'sche Hund ist auch nicht mehr zu finden, der für Futter (Geld) und Insignien (Auto etc.) alles tut. Und wenn es heute ohnehin schon zum Standard gehört, mit Laptop und Handy ausgestattet zu werden, dann kommen die Unternehmen damit auch an ihre Grenzen.

Endlich einander zuhören

Also ist für Müller die Zeit gekommen, "einen offenen und ehrlichen Dialog der Generationen in den Unternehmen zu führen und voneinander zu lernen. Die Arbeitsleistung der Älteren hat eine international konkurrenzfähige, innovative Wirtschaft entstehen lassen. Die Haltung der Jüngeren kann uns davor bewahren, eine Wirtschaft der Verausgabten und Überforderten zu schaffen. Betrachten wir beides vorurteilslos von jeder Seite, kann sich eine sehr fruchtbare Auseinandersetzung entwickeln und ein neues Bild effizienter Arbeit zum Nutzen aller Beteiligten entstehen."(Hartmut Volk, ManagementStandard, 19./20.1.2013)