Obergurgl/Wien - Daran, dass Allergien beim Menschen relativ häufig auftretende Gesundheitsprobleme darstellen, besteht kein Zweifel. Allerdings greift die aktuelle Wahrnehmung dazu viel zu hoch, ist Szolt Szepfalusi von der Wiener Universitäts-Kinderklinik überzeugt. "Oft werden Befund (Allergietest mit Hinweis auf mögliche allergische Beschwerden, Anm.) und Krankheit verwechselt", erklärt der Allergie-Spezialist am Freitag im Rahmen der 39. Internationalen pädiatrischen Symposium in Obergurgl, Tirol.

Ein Fallbeispiel des Experten: Ein junges Mädchen wird nach einem lang zurück liegenden Hautausschlag während eines Urlaubs und einer milden atopischen Dermatitis zum Allergietest ins Labor geschickt. Dort wurden IgE-Antikörper festgestellt, die einen Hinweis auf eine Ei-Allergie geben können. Sofort gab es die Empfehlung, auf Eier zu verzichten und einen Provokationstest durchführen zu lassen. Dabei hatte das Kind bis dahin Eier gut vertragen. "Wir haben also aus einem gesunden Kind ein ordentlich krankes Kind gemacht", meint der Kinderarzt dazu.

Übereilt und zu häufig

Insgesamt dürfte sowohl in der Allgemeinbevölkerung als auch bei vielen Ärzten die Rate der echten Allergien regelmäßig viel zu hoch angesetzt werden: "Zehn bis 15 Prozent der Kinder haben eine Atopische Dermatitis", schätzt Szepfalusi. Nach Ansicht des Experten seien die Beschwerden häufig durchaus mild und könnten mit guter Hautpflege beherrscht werden. Nur in 50 Prozent der Fälle lasse sich ein Hinweis auf eine allergische Komponente (Atopie) durch Nachweis von IgE-Antikörpern im Blut finden.

Auch beim Asthma sollten Ärzte und Eltern vorsichtig sein, denn "mit 15 bis 20 Prozent (Symptome bei Kindern, Anm.) ist das häufig. Aber nicht alles, was nach Asthma 'riecht', ist Asthma", betonte der Mediziner.

Laut dem Kinderarzt völlig überschätzt werden zudem Nahrungsmittelunverträglichkeiten: "Zehn bis 20 Prozent der Bevölkerung meinen, auf bestimmte Nahrungsmittel eine Unverträglichkeit zu haben. Tatsächlich stellen sich nach Erhebung der Symptome durch den Arzt - via Labortest auf IgE-Antikörper und Hauttest - nur 0,1 bis 4,2 Prozent der Menschen als wahrscheinlich durch ein solches Problem belastet heraus. Das ist ein Zehntel bis ein Zwanzigstel des Vermuteten."

Nach Meinung des Experten werde viel zu schnell und zu häufig eine "Diät" empfohlen, ohne dass die Symptome genau abgeklärt wurden. (APA/red, derStandard.at, 18.1.2013)