Zeichnung: Oliver Schopf

Wien - Direkt nach dem Schlussplädoyer des dritten Anwalts, ohne Pause, ganz unerwartet, steht Richter Stefan Apostol auf. Er setzt sich das Barett auf den Kopf, schlägt die Augen nieder, legt die Hände zusammen und sagt, was wohl viele als gerecht empfinden, doch fast niemand erwartet hatte: "Alfons Mensdorff-Pouilly ist schuldig."

Hörbar stockt kurz allen im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts der Atem. Dann hallt ein leises Rauen durch den Raum. Ein Zuseher schreit auf. "Yeeesss." Doch der Rat setzt wieder an: " Er hat ein gefälschtes Beweismittel vorgelegt." Dafür bekomme Mensdorff zwei Monate bedingte Haft. "Jedoch", der Richter holt weit aus - von allen anderen Vorwürfen, also der dreifachen falschen Zeugenaussage und dem Hauptanklagepunkt, der Geldwäsche, werde der Angeklagte freigesprochen - wie auch Kurt D., der Zweitbeschuldigte.

Zuvor wurden am Donnerstag, dem Tag der Urteilsverkündung im Prozess gegen den Bauern, Berater und Lobbyisten Alfons Mensdorff-Pouilly belastende Akten aus dem britischen Prozess verlesen, Staatsanwalt Michael Radasztics hielt ein fesselndes Schlussplädoyer, und die drei Verteidiger hielten Reden, denen schlussendlich der Richter mehr " abgewinnen" konnte - oder musste.

Verdeckte Berater

Während die Dokumente aus den Ermittlungen der britischen Korruptionsbehörde Serious Fraud Office verlesen werden, starrt Mensdorff regungslos ins Nichts. Er hat die Hände im Schoß übereinandergeschlagen, sein Kopf ist blutdurchströmt. In den Unterlagen wird aufgedröselt, wie Mitarbeiter von BAE Systems, dem Rüstungskonzern, von dem Mensdorff laut Strafantrag 12,6 Millionen Euro zur Verteilung an Entscheidungsträger in Zentral- und Osteuropa bekommen haben soll, womöglich eine "kriminelle Vereinigung" gebildet haben. Es ist die Rede von verdeckten Beratern, die über Briefkastenfirmen und mehrere Konten ihre Bezahlung "unter strenger Geheimhaltung" bekommen sollen. Mensdorff war nach eigener Aussage einer dieser verdeckten Berater. Eine "zur Geldwäscherei taugliche Vortat" wird der Richter in diesen Dokumenten später dennoch nicht feststellen.

Dann ist Staatsanwalt Radasztics an der Reihe. Er spricht deutlich und laut, reißt das Publikum mit. Aus seinen Worten ist hörbar, wie sehr er hofft, dass seine jahrelangen Ermittlungen mit einem Schuldspruch belohnt werden. Zu diesem Zeitpunkt hält er den für "absolut möglich". Er erzählt, welch "Puzzlespiel" der Fall sei, argumentiert, dass ein so komplexes System an Briefkastenfirmen doch nicht geschaffen worden wäre, wenn nicht für illegale Tätigkeiten, und hält den nicht erschienenen britischen Zeugen aus dem BAE-Umfeld vor, nicht gekommen zu sein, weil sie sich nicht verteidigen könnten.

"In dubio pro reo", im Zweifel für den Angeklagten, ist die Verteidigungslinie der Anwälte. Der Grundsatz unseres Strafsystems sei der gesicherte Schuldbeweis. Diese Begründung wird genügen, obgleich der Richter zugibt, dass das Ergebnis "unbefriedigend" ist.

Am Ende seiner Begründung wendet sich Apostol direkt an Mensdorff, schaut ihm tief in die Augen: "Ihnen muss klar sein, dass Sie wirklich Glück haben." Denn ob sein Verhalten moralisch zu rechtfertigen sei, müsse er nun mit sich selbst ausmachen. Der Richter sei dennoch überzeugt, dass kein "rechtsstaatliches Gericht mit den vorliegenden Beweisen" eine Verurteilung vornehme. Mensdorffs Anwalt Harald Schuster kämmt sich zufrieden mit den Fingern das Haar. Der Staatsanwalt hat indessen rotunterlaufene Augen, sitzt gebückt am Stuhl. Er legt Berufung ein. Das Urteil ist somit nicht rechtskräftig.

Mensdorff bleibt beim Verlassen des Saals nur kurz vor den Fotografen stehen. Er nickt ihnen zu, lächelt zufrieden und geht. (Katharina Mittelstaedt, DER STANDARD,  18.1.2013)