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Dass nun auch Frauen zur Schura gehören, geht über eine auch im Westen zugestandene Signalwirkung hinaus.

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Wie immer, wenn über Saudi-Arabien gesprochen wird, scheint es in der Mitte nichts zu geben: Auf der einen Seite wird die Ernennung von dreißig Frauen zu Mitgliedern der Schura, der konsultativen Versammlung, als völlig belanglos abgetan. Die Schura sei kein demokratisches Parlament, nicht gewählt, habe keinerlei Gewalten. Auf der anderen Seite gibt es kuriose Wortmeldungen wie jene der Kolumnistin Rajeh al-Khouri in der libanesischen "Al-Nahar" - der renommierten Zeitung der Tueni-Familie -, die den "Saudischen Frühling" lobt und all die anderen Frauen in den arabischen Umsturzländern Tunesien, Ägypten und Libyen bedauert, die nun auf die völlige Rechtlosigkeit zusteuerten. Die saudischen Frauen, schreibt Khouri, seien mit ihren 20 Prozent in der Schura auch besser vertreten als die Frauen in Europa. Was die saudi-arabischen Frauen alles nicht dürfen, kommt in ihrer Einschätzung mit keinem Wort vor.

Recht haben beide Seiten nicht. Die Aufnahme von Frauen in die Schura hat König Abdullah trotz starker Widerstände des religiösen Establishments und konservativer Kreise durchgesetzt. Das westliche Missverständnis besteht darin, dass ein absoluter Monarch wie Abdullah bin Abdulaziz Al Saud einfach das macht, was er will: Er hält sich eine Schura, auf die er nicht hört, er setzt Frauen in diese Schura, wenn ihm danach ist.

Dieser Eindruck ist falsch: Das muss alles sorgfältig zwischen den Sektoren der saudi-arabischen Gesellschaft verhandelt werden. Daraus ergibt sich auch die "Mächtigkeit" der Schura: In ihr sitzen die Eliten des Landes - die gleichzeitig große Teile der Bevölkerung vertreten -, und wenn der König völlig gegen sie agiert, wird er bald Schwierigkeiten bekommen. Dass dazu nun auch Frauen, die in Saudi-Arabien übrigens einen nicht unbeträchtlichen Teil des Volksvermögens besitzen, gehören, geht über eine auch im Westen zugestandene Signalwirkung hinaus. Diese Frauen - keine ohne Doktorat, heißt es - sitzen jetzt in einem veritablen Machtzirkel - auch wenn es für uns schlicht verrückt wirkt, dass sie mit ihren männlichen Kollegen nicht einmal im gleichen Raum tagen dürfen. Aber das ist nicht in Stein gemeißelt.

Das alles wird - und soll - niemandem das saudi-arabische System sympathisch machen, aber man muss die Dinge hin und wieder auch in einem anderen als immer nur dem eigenen Referenzrahmen diskutieren können. Was natürlich die Darstellung Khouris nicht weniger absurd macht, dass Saudi-Arabien quasi in der Modernität, wie sie Frauen im Westen kennen, angekommen sei. Dass eine Libanesin so etwas schreibt, sagt eher etwas über den Stellenwert Saudi-Arabiens im Libanon aus: Es ist ein sehr wichtiges Land, mit einer starken politischen Klientel.

Zerreißprobe Generationswechsel

Es ist noch völlig offen, ob Saudi-Arabien wirklich einen Weg in die Zukunft findet. Manche Experten bezweifeln, ob das 1932 gegründete Königreich auch noch ein 2. Jahrhundert erleben wird. Das saudische Königshaus steht vor einem Generationensprung, der zur Zerreißprobe werden könnte. König Abdullah ist wie sein Kronprinz Salman noch ein Sohn von Staatsgründer Abdulaziz, wie es ja alle Könige seit Abdulaziz waren. Nach Salman gibt es de facto nur mehr wenige - man nennt ein, zwei Namen -, die aus dieser Generation noch für den Thron in Frage kommen. Einige noch lebende Abdulaziz-Söhne dürften das aber anders sehen und halten sich selbst für durchaus geeignete Kandidaten. Sie könnten sich als Störfaktor erweisen, wenn die Macht auf die Enkelgeneration übergehen soll - was in Zukunft ein Thronrat entscheiden wird, den Abdullah eingerichtet, aber noch nie in Anspruch genommen hat. Und wenn sie schon nicht selbst drankommen, werden diese Abdulaziz-Söhne hohe Posten für ihre eigenen Nachkommen fordern.

Vor einigen Tagen hat König Abdullah Revirements auf verschiedenen Posten vorgenommen, die allgemein als Tendenz zur "Verjüngung" des Personals wahrgenommen werden. Auffällig war dabei die Berufung eines anderen Gouverneurs in der Provinz Sharqiya, in dem es ja seit Ausbruch des "Arabischen Frühlings" vermehrt zu Protesten der dort ansässigen Schiiten gekommen ist. Ein Sohn von König Fahd (1982-2005), Muhammad, wurde durch Prinz Saud Bin Nayef ersetzt, also einem Sohn des 2012 verstorbenen Kronprinzen. Ob das einen Politikwechsel einleiten oder zumindest die Gemüter in der ölreichen Provinz beruhigen soll, bleibt zu sehen. Die Emanzipation der Schiiten auf der arabischen Halbinsel hat noch zu erfolgen. Vom wahhabitischen Salafismus werden sie ja als bestenfalls Muslime zweiter Klasse wahrgenommen.

Bei allen Umbesetzungen: An der Spitze stehen laute alte Männer. König Abdullah, der 89 Jahre alt wird, hat erst vor kurzem wieder eine Rückenoperation über sich ergehen lassen, er ist nicht mehr so einsatzfähig wie zuvor. In den vergangenen eineinhalb Jahren sind ihm zwei Kronprinzen weggestorben, zuerst der mächtige Verteidigungsminister Sultan, danach im Juni 2012 auch noch der langjährige Innenminister Prinz Nayef. Der jetzige Kronprinz Salman (78), der nach dem Tod Sultans diesem als Verteidigungsminister folgte, gilt ebenfalls als nicht sehr gesund. Ebenfalls schwer krank ist Prinz Saud al-Faisal. Er dürfte mit der längst dienende Außenminister der Welt sein: Er ist seit 1975 im Amt. (Gudrun Harrer, derStandard.at, 16.1.2013)