Das Buch Die Albaner ist gerade rechtzeitig zum hundertsten Jahrestag der Proklamation des Staates im November 1912 im vergangenen Herbst erschienen. Oliver Jens Schmitt reibt sich an der gängigen nationalistischen Geschichtsschreibung. Er betont zwar den Widerstand der Berg bewohner, die bis ins 20. Jahrhundert von den Osmanen nicht völlig unterworfen wurden, dekonstruiert aber den Mythos vom "dauernden Widerstand" der Albaner, vom Opferstatus und vom Schicksal der "Fremdbeherrschten". So setzte zwar niemand anfänglich den Osmanen größeren Widerstand entgegen als diese "Balkanchristen", andererseits waren die Albaner - und die Bosnier - in der Folge auch "das Rückgrat des Osmanischen Reiches".

Der Professor für südosteuropäische Geschichte an der Universität Wien weist darauf hin, dass es bei dem Widerstand darum ging, Abgaben oder den Wehrdienst zu bekämpfen, aber nicht um nationalethnische Ideen. So wurde Georg Kastriota alias Skanderbeg auch von Wlachen, Slawen und Griechen unterstützt. Eine von Schmitts Thesen ist besonders provokant, weil sie ein beliebtes Narrativ hinterfragt: Die Albaner seien nicht mehr, aber auch nicht weniger religiös als die anderen Balkanvölker gewesen, schreibt er.

Im Osmanischen Reich bestimmte Religion und nicht Sprache Zuordnung und Selbstverständnis. Schmitt erwähnt etwa die Familie Kuçi/Kuci, in der Albanisch wie Serbisch gesprochen wurde. Er betont, dass erst durch die Nationalbewegung im 19. und 20. Jahrhundert das Bild einer religiös indifferenten und toleranten Gesellschaft entstanden ist. Vor dem 19. Jahrhundert habe es denn auch kaum Spannungen zwischen Albanern, Griechen und Südslawen gegeben.

Schmitt kritisiert die Vorstellung einer "illyrisch-albanischen Kontinuität", andererseits sei auch die These von der späten Einwanderung der Albaner in den Kosovo nicht haltbar. (Adelheid Wölfl/DER STANDARD, 15.1.2013)