Starkes Gespann: Bernd Brückler und Luka Gračnar kassieren weniger Tore als Salzburgs vier Meistergoalies.

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Seit Ende November beim Klub und mit den vielleicht besten Händen der EBEL gesegnet: Rob Schremp, aktuell mit 1,57 Punkten pro Spiel bester Scorer der Liga.

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Der Prozentsatz gewonnener Saisonspiele belegt es, Salzburg spielt bisher eine außergewöhnlich schlechte Saison.

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Nach einem torlosen Wochenende mit knappen Auswärtsniederlagen in Villach (0:2) und Linz (0:1) war es am Sonntagabend Gewissheit: Der EC Salzburg, dank der Millionen des Red-Bull-Konzerns finanzkräftigster Klub der Erste Bank Eishockey Liga, verpasst die Qualifikation für die Platzierungsrunde und muss damit ab 22. Jänner im unteren Pool der Zwischenrunde gegen Innsbruck, Dornbirn, Ljubljana, Székesfehérvár und voraussichtlich Znojmo um die beiden letzten Tickets für das Play-off rittern.

Abwärtstrend seit European-Trophy-Sieg

Auch wenn Trainer Pierre Pagé seine diesbezügliche Enttäuschung herunterspielt ("Wir schauen nicht auf die Tabelle, wir schauen auf die Meisterschaft"), für den Klub, in den letzten sechs Jahren viermal Meister, ist die aktuelle Situation alles andere als zufriedenstellend. Seit dem Triumph in der European Trophy im Dezember 2011 hat Salzburg in 69 Spielen deutlich mehr Punkte verloren (80) als gewonnen (68), so wenige Zähler pro Spiel gesammelt wie in der laufenden Spielzeit (1,05) haben die Bullen zuletzt in ihrer schwachen Premierensaison in der EBEL 2004/05.

Fluktuation im Kader

Der harte Gang in die Qualifikationsrunde kommt wenig überraschend, 35 der bisher 41 Runden verbrachte man außerhalb der ersten sechs der Tabelle. Als zentrales Problem erwies sich die fehlende Konstanz, die sich direkt aus der enormen Personalfluktuation ableitete: Während der die ersten 30 Spieltage umfassenden ligaweiten Try-out-Phase trugen gleich 45 Cracks das Trikot mit dem Logo des Getränkeherstellers. Obwohl mit Duncan, Schremp, DiBenedetto und Trattnig einige der individuell stärksten Spieler der Liga an der Salzach unter Vertrag stehen, fand das sich stets in seiner Zusammensetzung verändernde Team heuer nur bedingt seine Balance. Dem Mannschaftsgeist wenig zuträglich waren auch die Kalamitäten rund um die während des Lockouts verpflichteten NHL-Spieler, vier von fünf verließen den Klub wieder nach nur sechs oder weniger Spielen.

Ein unangenehmer Gegner

Der aktuell schlechte Tabellenstand Salzburgs dürfte die Konkurrenten in der EBEL allerdings nur wenig beruhigen, denn im bisherigen Saisonverlauf hatten die Bullen ihre Probleme primär mit sich selbst, weniger mit den Gegnern. Wenn das Team, wovon allen Rückschlägen zum Trotz auszugehen ist, die Qualifikationsrunde auf einem der beiden ersten Plätze beschließt und sich somit für die Play-offs qualifiziert, darf bezweifelt werden, dass es von einem der drei wahlberechtigten Klubs an der Ligaspitze als Viertelfinalgegner ausgewählt wird. (In der aktuellen Saison dürfen sich die drei bestplatzierten Teams des Grunddurchgangs ihren Erstrunden-Gegner in der K.-o.-Phase aussuchen, siehe "Einige Änderungen in der Eishockeyliga".)

Defensive stabilisiert

Im Offensivbereich kann Salzburg in Sachen individueller Klasse kaum ein Klub in der Liga das Wasser reichen. Die Abwehr, ob der variablen Spielweise seit Jahren die Problemzone der Bullen, konnte in dieser Saison merklich stabilisiert werden: Noch nie in der Klubgeschichte kassierte man weniger Gegentore pro Spiel als heuer (2,76). Geschuldet ist dies auch den hervorragenden Leistungen der beiden Torhüter Bernd Brückler und Luka Gračnar, deren Gegentorschnitte (GAA) mit 2,39 beziehungsweise 2,36 jeweils unter den Werten jener Goalies liegen, die mit Salzburg Meisterschaften gewonnen haben.

Das wichtige erste Tor

Auch wenn die Bullen die Viertelfinal-Qualifikation von der unteren Gruppe der Zwischenrunde aus in Angriff nehmen und im Falle eines Einzugs in die Play-offs wohl keine der Serien mit Heimvorteil eröffnen werden, vom Potenzial her gehören sie nach wie vor zum erweiterten Favoritenkreis im Titelkampf. Will man diesen Vorschusslorbeeren gerecht werden, muss jedoch die spielerische Chemie im Team verbessert und eine größere Leistungskonstanz erreicht werden. Im bisherigen Saisonverlauf wechselten sich Kantersiege (12:3, 9:2, zweimal 9:0) mit Leermeldungen ab (acht Spiele mit nur einem oder gar keinem erzielten Treffer). Besonders auffällig: Häufig - in 32 der 41 Partien - entscheidet bei Salzburg schon das erste Tor in einem Spiel. Ging man mit 1:0 in Führung, gewann man 15 von 19 Begegnungen, kassierte man das 0:1, siegte man nur in fünf von 22 Fällen.

Trainerfrage wird nicht gestellt

Wohin auch immer der Weg des Millionenklubs in dieser Saison noch führen wird, die Richtung wird weiterhin der angesichts seiner teilweise skurrilen öffentlichen Auftritte durchaus streitbare Pierre Pagé vorgeben. Während bei anderen Klubs Trainer mit einer ähnlich misslichen Input/Outcome-Bilanz längst Geschichte wären, sitzt der Kanadier in Salzburg fest im Sattel. Ob er im Frühsommer 2014, wenn der Klub sein neues Headquarter im Stadtteil Liefering mit zwei Eisflächen und modernsten Trainingsanlagen bezieht, noch als Headcoach an der Bande steht, wird sich weisen. Für Pagé könnten sich innerhalb des Eishockey-Engagements des Red-Bull-Konzerns demnächst auch andere, eher konzeptionell und organisatorisch orientierte Betätigungsfelder erschließen. (Hannes Biedermann, derStandard.at, 14.1.2013)