In Einkaufszentrum DEZ kann jeder, der will, über seine Sorgen sprechen, Therapeuten sind täglich im Einsatz.

Foto: Der Brunnen

Innsbruck - "Ich geh einen Sprung ins DEZ, ich muss etwas einkaufen", das gehe leichter über die Lippen, als daheim, vielleicht im kleinen Ort, zuzugeben, dass man jemanden zum Reden brauche, erzählt Therapeut und Seelsorger Gebhard Ringler. Ostseitig, im ersten Obergeschoss des Innsbrucker Einkaufszentrums, etwas abseits schon am Weg zum Parkhaus, findet sich "der Brunnen". Er ist orange und plätschert beruhigend neben einer Art Rezeption. Dort steht auch Wasser bereit, um "zur informellen Kontaktaufnahme" eine Schluck zu trinken und sich einzustimmen auf ein Gespräch.

Seit zehn Jahren stellt das Management des Einkaufszentrum DEZ die zwei Räume auf 45 Quadratmeter - "in Boutiquengröße" - kostenlos zur Verfügung. An 300 Tagen im Jahr werden von insgesamt 30 Therapeuten sechs bis zehn Beratungsgespräche geführt. Der Männeranteil sei relativ hoch. "Sie tun sich leichter, wenn sie anonym über ihre Sorgen sprechen können", sagt Ringler. Es sei besonders wichtig, dass Hilfe auch dort angeboten werde, wo viele Menschen hingehen und arbeiten, sagt Hartmann Hinterhuber vom Bündnis gegen Depression. Eine Einrichtung, wie den " Brunnen" gebe es außer im Dez nur noch in Zürich, im Einkaufszentrum Sihl-City.

Raum der Stille

Ein älterer Herr ordnet gerade seine Einkaufstüten im "Raum der Stille". Es läuft eine CD mit Meditationsmusik, im Raum riecht es angenehm frisch. Vielleicht hat er gerade ein kleines, buntes Blatt in die sogenannte Klagemauer geschoben. Diese werden von Mitarbeitern regelmäßig gelesen, damit sie informiert sind, welche Sorgen ihre Besucher plagen. Meist belasten Angst um den Arbeitsplatz oder die Gesundheit. Es würde aber auch Rat bei Entscheidungen gesucht.

Eine Frau sitzt vor dem Beratungsraum und trinkt ein Glas Wasser. Sie wirkt müde. Ein Mann diskutiert eifrig mit Gebhart Ringler. Ringler sagt später, er sei stolz, dass der Mann so vehement seinen Standpunkt vertrete. Das sei nicht immer so gewesen. Der Mann sei mit angeknackstem Selbstbewusstsein immer wieder zu ihm in den "Brunnen" gekommen. Seine Geschichte wiederhole sich derzeit oft: Betrieb in Konkurs geschlittert, Job verloren. Im Dorf stigmatisiert und dadurch "schwierig für die Umwelt geworden". Oft seien diese Klienten für ihre Familien "nicht mehr auszuhalten". "Diese Menschen brauchen einfach nur jemanden, der ihnen zuhört und sie ermutigt." Im Brunnen wird pro Person bis zu einer Stunde zugehört und zu Eigenverantwortung geraten. Kostenlos und ohne Anmeldung, so oft man will. Klassische Therapie wird nicht angeboten, Kontaktadressen jedoch vermittelt. (Verena Langegger, DER STANDARD, 15.1.2013)