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Stefan Birkner bei einem Wahlkampfauftritt, flankiert von Philipp Rösler (li.) und Rainer Brüderle.

Foto: Reuters/Rattay

Wahlkampfplakate der niedersächsischen FDP. Bei der letzten Landtagswahl 2008 fuhr sie 8,2 Prozent ein und bildete mit der CDU (42,5 Prozent) die Landesregierung.

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Grafik: APA

Scheitert Stefan Birkner, dann scheitert auch Philipp Rösler. Sollte der FDP-Spitzenkandidat in Niedersachsen den Einzug in den Landtag verpassen und damit die Regierungskoalition mit der CDU sprengen, gilt der Rückzug des umstrittenen Bundesvorsitzenden Rösler als sicher.

Wenn also am 20. Jänner im bevölkerungsmäßig viertgrößten deutschen Bundesland gewählt wird, trägt Birkner eine außergewöhnliche Verantwortung. Im Interview mit derStandard.at spricht er über Störfeuer aus Berlin, Verschwörungstheorien und mangelnde Kommunikation in der Partei.

derStandard.at: Herr Birkner, wie fühlt man sich, wenn man das Schicksal von Philipp Rösler in den eigenen Händen hält?

Birkner: Ich fühle mich gut, aber unabhängig davon, was ich vermeintlich in den Händen halte. Mir geht es um die Niedersachsen-Wahl, da interessiert mich die Diskussion um Philipp Rösler und was da andere hineininterpretieren erst einmal nicht.

derStandard.at: Dass ein negatives Wahlergebnis in Niedersachsen Konsequenzen auf Bundesebene hätte, muss aber schon im Hinterkopf stecken.

Birkner: Ich bekomme natürlich mit, dass da viel diskutiert und interpretiert wird. Aber das ist alles sehr spekulativ. Welche Konsequenzen welches Ergebnis haben kann, das leitet nicht mein Handeln. Wir konzentrieren uns hier rein auf die Wahl in Niedersachsen.

derStandard.at: Vor rund einem Jahr meinten Sie, dass Sie optimistisch in die Wahl gehen werden, wenn die FDP in Berlin die Kurve kriegt. Nun liegt die Partei bundesweit bei zwei Prozent.

Birkner: Was in Berlin passiert, ist natürlich nicht hilfreich in unserem Wahlkampf. Aber wir haben gerade vom ZDF-"Morgenmagazin" eine Umfrage übermittelt bekommen, der zufolge wir in Niedersachsen bei fünf Prozent liegen, Tendenz steigend. Es ist also gelungen, uns vom Bundestrend abzukoppeln.

derStandard.at: Es sind einige Wahlkampfauftritte mit Philipp Rösler und Rainer Brüderle geplant. Da führt man den Führungsstreit wieder in den Mittelpunkt des Geschehens.

Birkner: Wir werden geschlossen für die Fortsetzung der erfolgreichen Zusammenarbeit von CDU und FDP in Niedersachsen werben. Die Diskussion, die rund um das Dreikönigstreffen geführt wurde, wird da sicher nicht im Mittelpunkt stehen. Ich habe also keine Sorge, dass es noch weitere negative Begleitmusik geben wird.

derStandard.at: Beim Dreikönigstreffen forderte Entwicklungsminister Dirk Niebel offen eine Neuaufstellung der FDP-Spitze. Haben Sie Verständnis dafür?

Birkner: Wenn eine Partei, die in der Bundesregierung sitzt und mit mehr als 14 Prozent in den Bundestag gewählt wurde, in den Umfragen dauerhaft bei vier, fünf Prozent liegt, kann das niemanden zufriedenstellen. Eine gewisse Unruhe ist dann natürlich nachvollziehbar.

Das Dreikönigstreffen, wo es darum geht, Menschen für die FDP zu gewinnen, ist aber der falsche Ort, um diese Diskussion in die Breite zu tragen. Es gibt eigene Gremien dafür, wo man miteinander reden kann und nicht übereinander.

derStandard.at: Das Umfeld von Philipp Rösler soll den Verdacht hegen, dass seine Gegner den Führungsstreit bewusst so knapp vor der Niedersachsen-Wahl neu entfacht haben, um eine klare Niederlage einzufahren. Damit, so heißt es, könnte man Rösler rasch loswerden.

Birkner: Das habe ich auch schon gehört, aber nur von Journalisten, nicht aus den eigenen Reihen. Das halte ich für eine Überinterpretation der Dinge. Erfahrungsgemäß sind die Dinge oft banaler und menschlicher als das, was hineininterpretiert wird. Das hat dann auch schnell einmal verschwörungstheoretische Aspekte.

derStandard.at: Abgesehen von zwei Ausnahmen gab es für die FDP in den vergangenen zwei Jahren nur Wahlniederlagen. Eigentlich könnten Sie der Wahl relativ gelassen entgegensehen, im Fall einer Niederlage kann man das einfach als weitere Episode eines negativen Trends werten.

Birkner: Ich rechne nicht mit einer Niederlage, ich bin sicher, dass wir die Fünf-Prozent-Hürde überspringen und in den Landtag einziehen werden. Am Ende wird die eigentlich spannende Frage eher sein, ob es reicht, die Regierungszusammenarbeit mit der CDU fortzusetzen, ob wir gemeinsam die notwendigen 46, 47 Prozent bekommen.

derStandard.at: Sie sehen das Problem also eher darin, dass die CDU die notwendigen Prozentpunkte nicht erreicht?

Birkner: Dass wir gemeinsam die notwendigen Prozentpunkte erreichen, das ist die große Herausforderung. Was wir zulegen werden, darf nicht zulasten der CDU gehen. Es ist ein Kopf-an-Kopf-Rennen, aber wenn jeder noch einen Prozentpunkt mitnimmt, dann haben wir's.

derStandard.at: CDU-Ministerpräsident David McAllister hat einen Zweitstimmenwahlkampf für die FDP abgelehnt. Fühlen Sie sich verraten?

Birkner: Ganz und gar nicht. Ich stehe mit David McAllister in engstem Kontakt und wir besprechen die aktuellen Entwicklungen. Klar ist, dass jeder den Wahlkampf für sich bestreitet. Es muss aber auch klar sein, dass es einen Ministerpräsidenten McAllister nur dann auch in Zukunft geben wird, wenn die FDP wieder stark im Landtag vertreten ist.

derStandard.at: Ihre Zusammenarbeit mit der CDU gilt als relativ reibungslos. Als Juniorpartner ist es dann schwierig, eigene Themen zu finden, mit denen man im Wahlkampf punkten kann.

Birkner: Das ist immer die Schattenseite einer reibungslos guten Zusammenarbeit. Wenn wir streiten, dann intern, wir versuchen nicht, uns auf offener Bühne auf Kosten des anderen zu profilieren. Die Folge ist, dass wir als Juniorpartner in der Erkennbarkeit nicht so gut dastehen. Das ist der Preis, den wir zahlen müssen. Mir ist aber wichtiger, erfolgreich für das Land zu arbeiten. 

Inhaltlich muss aber klar sein, dass wir die CDU besser machen. In vielen Punkten sind wir die treibende Kraft, wenn es um ordnungspolitische Grundsätze geht, um Standhaftigkeit auch bei unpopulären Entscheidungen.

derStandard.at: Laut Selbstdefinition sind Sie ein pragmatischer und sachorientierter Politiker. Nicht zwingend ein Profil, mit dem man die Erkennbarkeit verbessern kann. Werden wir im Wahlkampf noch den Lautsprecher Stefan Birkner erleben?

Birkner: Wenn es inhaltlich begründet ist und sich Anlässe finden, um zuzuspitzen, dann gerne. Aber es wird keine populistischen Schnellschüsse geben, um Aufmerksamkeit zu erzielen.

derStandard.at: Beim Thema Mindestlohn haben Sie Philipp Rösler widersprochen. Der Parteivorsitzende lehnt Lohnuntergrenzen dezidiert ab, sie dagegen wollen sie nicht ausschließen. Wäre das nicht noch ein Ansatz im Wahlkampf-Finish: sich erkennbarer machen, indem man auf Distanz zur Bundes-FDP geht?

Birkner: Ich habe überhaupt kein Problem damit, auf Distanz zur Bundes-FDP zu gehen. Aber es geht mir nicht ums kurzfristige Punkten oder darum, mich der Distanz wegen zu distanzieren. Es muss auch in der Sache begründet sein, so wie beim Mindestlohn. Da ging es mir um eine gelassenere Diskussion in der Partei, denn selbstverständlich ist die FDP für gerechtere Löhne.

derStandard.at: Die Bundes-FDP ist bei einigen Themen also nicht gelassen genug, nicht flexibel genug?

Birkner: Zumindest bei der Kommunikation manchmal nicht so, wie ich es mir wünsche. In diesem Fall liegen Rösler und ich in der Sache ja gar nicht so weit auseinander. Er als Bundeswirtschaftsminister lehnt gesetzliche flächendeckende Mindestlöhne ab. Das halte auch ich für ein Instrument, das eher Arbeitsplätze gefährdet. Aber es gibt ja auch andere Instrumente, über die man reden kann.

derStandard.at: Würde die Bundes-FDP unter einem Parteivorsitzenden Rainer Brüderle gelassener agieren?

Birkner: (lacht) Ich werde im Wahlkampf ja noch gemeinsam mit Philipp Rösler und Rainer Brüderle auftreten. Da werde ich sie mal fragen. (Kim Son Hoang, derStandard.at, 14.1.2013)