Glut, Stahl und Muskelkraft: Michael Blank ist einer der letzten in Österreich, der eigenhändig Klingen schmiedet - Wir durften ihn bei der Entstehung eines "Triftas" begleiten

Am Anfang steht der Stein. "Man kann sich heute kaum noch vorstellen, wie kostbar Eisen früher war", sagt Michael Blank und legt ein Stück Erzberg-Gestein auf den Holztisch. Sein Interesse am Messer beginnt mit der Materialgewinnung. "Das ist mein forschender Ansatz", erklärt der Bildhauer und Klingenschmied. Einen Rennofen hat er sich im Weinviertel gebaut, schichtweise mit Eisenerz und zerkleinerter Holzkohle befüllt und bei 1.250 Grad Celisus Stahl aus dem Stein gewonnen. "Die Herstellung ist extrem aufwendig", weiß Blank.

Foto: derStandard.at/tinsobin

Eisenerzbrocken, alte Eisenteile und ein Globus in einem Innenhof in Wien-Leopoldstadt. Zur linken Hand geht es die Stiegen hinauf in Blanks Atelier, zur rechten Hand führt eine Tür in die Schmiedewerkstatt.

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Drinnen wirft Michael Blank den Schmiedeofen an. Während seines Bildhauerstudiums besuchte Blank einen Crashkurs im Werkzeugschmieden, um seine eigenen Werkzeuge selbst herstellen zu können. Das Handwerk des Messerschmiedens hat er sich in der Folge vorwiegend autodidaktisch angeeignet, hin und wieder auch jemanden getroffen, der ihm Wissen und Praxis vermitteln konnte. Im Gegensatz zu Frankreich oder Italien sei die Tradition des Messermachens in Österreich irgendwann abgebrochen, "das letzte Messer, das sich gehalten hat, ist das Trattenbacher Feitl", erzählt Blank.

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Aus Blanks handwerklichem Können, seiner Forschungs- und Entwicklungsarbeit sowie seiner Formensprache ist das Kunstprojekt Wiener Klingenschmiede hervorgegangen. Bereits als Kind der 60er und 70er Jahre berichtet Blank, von einem "Mangel am Authentischen" gequält worden zu sein. Seine Sehnsucht nach Angreifbarem und seine Leidenschaft für Messer verbindet er heute in seinen zweitägigen Workshops für maximal zwei Personen. Sein Messerschmiede-Wissen teilt Blank gerne mit anderen Menschen, "denn nur so geht die Welt weiter", ist er überzeugt.

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"Für mich ist wichtig, dass die Dinge eine Geschichte haben", sagt Blank. Regelmäßig macht er sich auf in die Natur, um nach traditionellen Handwerksarten zu forschen. Kürzlich ist er auf die Geschichte der Holzbearbeitung in den oberösterreichisch-steirischen Eisenwurzen gekommen. Das Holz wurde getriftet, das heißt, die Holzstämme trieben den Fluss hinab, am Ufer begleitet von Holzknechten. "Was hätte so ein Trifter gern für ein Messer mitgehabt?", fragte sich Blank. "Für seine Arbeit? Für die Jause?" Ein kleines, kompaktes, fest stehendes Messer ist dem Schmied selbst lieber als ein Klappmesser. So entwickelte er den Trifta.

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Blank: "Für mich ist das Messer ein Symbol von draußen sein und draußen leben. Im besten Fall ist es ein Objekt mit einem Eigenleben, das zu Hause liegt und mir immer wieder zuflüstert: 'He du, gehen wir wieder einmal außi?'" Im Messer schwingt für Blank selbstverständlich auch immer der Einsatz als Waffe mit. Er fordert einen verantwortungsvollen Umgang damit. Praktisch: Mit seinem gebogenen Eisengriff kann man den Trifta in die Hosentasche einhängen.

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Der Brennofen ist aufgeheizt, die Fertigung eines Triftas beginnt mit höllischer Hitze: Mit der Zange legt der Klingenschmied ein Stück Messerstahl in den 900 bis 1.000 Grad Celsius heißen Ofen.

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Der Hammer besteht aus der Bahn (Breitseite) und der Finne (Schmalseite). Blank hämmert das Material gleichmäßig mit der Bahn auseinander.

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Präzise und zügig ist Blank an der Arbeit, denn rasch wird der rot glühende Stahl blass und erkaltet. Immer wieder muss er im Ofen erhitzt werden.

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Der Stahl ist flach geklopft, nun definiert Blank den Absatz zwischen Klinge und Griff. "Bei Industriemessern wird dieses Stück herausgelasert" oder gesenkgeschmiedet, weiß Blank. Er setzt auf frei geschmiedete Messer. Langsam bildet sich aus dem Rohmaterial der Trifta heraus. "Wollen Sie es auch versuchen?", drückt mir Blank den Hammer in die Hand.

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"Wichtig ist, dass man den Stahl mit dem Hammer trifft und nicht daneben auf den Amboss haut, sonst gibt es einen Rückstoß, der einen umhauen kann", warnt der Klingenschmied. Der Respekt vor dem glühenden Stahl ist groß. Ich versuche zu zielen, klopfe zaghaft auf das Metall, das in wenigen Sekunden erkaltet. Geduldig schiebt Blank den Messer-Rohling immer wieder in den Ofen. Es braucht viel Kraft und Gefühl, um ein Stück Stahl gleichmäßig flach zu klopfen. Auf dem Amboss erhält der Trifta immer feinere Formen. Nun nimmt Blank die Biegung des Griffs in Angriff.

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An der Farbe, die der Stahl im Ofen annimmt, erkennt Blank, ob die Temperatur stimmt. "Jetzt hoffen wir, dass es sich nicht verzogen hat", zieht er das angehende Messer aus dem Ofen. Einiges kann beim Entstehungsprozess passieren: Der Stahl kann springen oder sich verziehen.

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Das Schmieden am Amboss ist vollendet, Michael Blank zieht seinen Arbeitsoverall an, setzt den Schutzhelm auf und wirft den Bandschleifer an, mit dem Umrissform und Klingenfläche herausgearbeitet werden.

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Während des Schleifens kühlt Blank das Messer immer wieder in kaltem Wasser ab.

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Ein prüfender Blick. "Die endgültige Form eines Messers kommt anhand vieler kleiner Entscheidungsprozesse zustande, die sich während der Entstehung herauskristallisieren", sagt Blank. Oft sei die schöne Form das Ergebnis der Konzentration auf Funktionalität.

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Als Nächstes kommt der Trifta in den Schraubstock. Blank bearbeitet das Messer mit verschiedenen Feilen, von grob zu fein. "Jetzt bekommt das Feitl sein Handfinish. Das ist die eigentlich anstrengende Arbeit", weiß er. 

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Weiter geht's mit feinem Schleifpapier, zuerst mit 120er-Körnung, dann mit 180er, 240er und schließlich 400er.

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Jetzt folgt die selektive Härtung: Der Trifta wird im Ofen auf 800 °C erhitzt, anschließend nur die Schneide in Öl abgeschreckt. So bleibt der Rücken zäh und das Messer kann nicht springen.

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Die selektive Härtung lässt sich an der "Härtelinie" der Klinge erkennen: Nur der Schneidenbereich ist einsatzhart, der Klingenrücken bleibt elastisch.

Oben im Atelier kommt das Messer bei 220 Grad Celsius nochmals ins Haushaltsbackrohr.

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Und fertig ist der Trifta. Ein ordentliches Feitl braucht natürlich ein stabiles Etui ...

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So nimmt Michael Blank Maß und schneidet eine Scheide aus Rindsleder zu.

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Mit dem Reifelholz markiert er den Rand, ...

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... mit einer Ahle sticht er Löcher.

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Für den Sattlerstich braucht man zwei Nadeln. Jeder Stich wird geknotet, damit die Messerscheide allen Strapazen gewachsen ist. Anschließend färbt Blank die Kante und poliert sie mit verschiedenen Wachsen.

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Ein Trifta muss eine richtig gute Schneid haben. Wie für seine eigenen Messer greift Blank dafür zu japanischem Wasserstein. "Er setzt beim Schleifen Schleifkorn frei und hat einen höheren und effizienteren Abtrag als ein österreichischer Wetzstein", erklärt der Schmied. Der Stein wird gewässert, dann der Trifta von beiden Seiten gegen die Klinge (!) den Stein entlanggestrichen. Auch mein Taschenmesser durchläuft diesen Prozess.

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"He du, gehen wir wieder einmal außi?" Blank ist dem Ruf des neuen Triftas gefolgt. "Das Höllental zwischen Schneeberg und Rax passt gut zu diesem Projekt. Auch dort gab's Holztrift im vor(vor)igen Jahrhundert. Hauptsächlich wurde mit diesem Holz die Eisenproduktion mit Holzkohle versorgt", weiß der Messerschmied.

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Was vom Besuch bei Michael Blank bleibt, ist ein drei Tage lang anhaltender Muskelkater im linken Oberarm. Ein Taschenmesser, das auch einen Monat später noch schneidet wie die Hölle. Und natürlich der Wunsch nach einem eigenen Trifta; selbst geschmiedet, versteht sich. (Eva Tinsobin, derStandard.at, 6.2.2013)

Daten und Fakten

Der Trifta ist aus Phönix-Zähstahl geschmiedet. Seine Gesamtlänge beträgt 175 Millimeter. 

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