Ein Männchen der neuen Stummelfüßer-Art und -Gattung aus Costa Rica: Principapillatus hitoyensis.

Foto: Ivo de Sena Oliveira und Georg Mayer, Universität Leipzig.

Dresden/Leipzig - Die Stummelfüßer sind sehr spezielle Tiere: Vereinfacht lassen sich die urtümlichen Lebewesen als vielbeinige Würmer beschreiben. Eine Besonderheit der Stummelfüßer (Onychophora) ist ihre wasserabweisende Haut, die ihnen ein samtartiges Aussehen verleiht und der sie ihren englischen Namen "velvet worms" verdanken. Unter Zoologen sind sie nicht zuletzt für ihre außergewöhnliche Jagdmethode bekannt, bei der sie ihre Beutetiere - meist kleinere Insekten - durch das Verspritzen eines klebrigen Schleims fangen.

Geht es darum, die unterschiedlichen Arten zu klassifizieren, dann haben die Biologen aber ihre liebe Not mit den Stummelfüßern. Denn bisher mangelte es an geeigneten Bestimmungsmerkmalen bei den generell als einförmig geltenden Lebewesen. Ein internationales Forscherteam hat nun neue Kriterien zur Unterscheidung gefunden, was die Artenbestimmung in Zukunft erheblich erleichtern könnte - und auch gleich zur Beschreibung einer neuen Art und Gattung aus Costa Rica geführt hat. Die zugehörige Studie ist kürzlich im Fachjournal "PLoS ONE" erschienen.

Bisher sind weniger als 180 Arten der Stummelfüßer (Onychophora) - hauptsächlich von der Südhalbkugel - bekannt. "Die Anzahl ist aber vermutlich sehr viel höher", meint Andreas Weck-Heimann vom Museum für Tierkunde der Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen Dresden.

Zusammen mit einem Wissenschafterteam aus Deutschland, Australien und Costa Rica hat sich nun Biologe Ivo de Sena Oliveira diesem Problem angenommen. "Wir haben eine Reihe von Merkmalen entdeckt, mit denen neue Onychophoren-Arten in Zukunft leichter und schneller identifiziert und beschrieben werden können", erläutert der Doktorand der Universität Leipzig und Erstautor der Studie. Zum Einsatz kam hierbei unter anderem das Rasterelektronenmikroskop der Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen Dresden.

Verschiedene Arten, die sich jedoch kaum unterscheiden

Einfach machen es die zwischen 0,5 und 20 Zentimeter langen Tiere den Forschern nicht: Stummelfüßer sind nicht nur sehr schwer zu finden, sondern äußerlich auch kaum zu unterscheiden. "Wir hatten die neue Art aus Costa Rica, Principapillatus hitoyensis, über sieben Jahre in unserem Labor gezüchtet und insgesamt mehr als 1.000 Tiere untersucht, um Merkmale zu finden, die nicht innerhalb der Art variieren und somit für Artbeschreibungen genutzt werden können", erklärt Georg Mayer, Leiter der Arbeitsgruppe "Evolution & Entwicklung der Tiere" an der Universität Leipzig.

Neben anatomischen und zellbiologischen Untersuchungen setzten die Wissenschafter bei ihren Studien auch molekulare Methoden ein, um zum einen den Stammbaum der Ony (Onychophora)chophora zu rekonstruieren und zum andern die artspezifische Anzahl der Chromosomen zu bestimmen. "Wir sind überzeugt, dass unsere Befunde dazu führen werden, dass die Artenvielfalt und die Stammesgeschichte der Stummelfüßer in Zukunft wesentlich effizienter und nach einheitlichen Standards erforscht werden können", meint Weck-Heimann. Auch für die Paläontologie sind die kleinen Würmer mit Beinen von großem Interesse, da sie den ausgestorbenen Lobopodiern ähneln, die bereits vor über 540 Millionen Jahren die Urmeere bewohnten. (red, derStandard.at, 08.01.2013)