Im "Schottland des Ostens" verbringen die Großstädter den Sommer. Herbert Schauer hat die den Bundesstaat Meghalaya im Osten Indiens besucht

Luftkurort einmal anders: Shillong, Hauptstadt der indischen Provinz Meghalaya, ist eine "Hillstation". Hierher, auf 1.500 Meter Seehöhe, kommen vor allem Landsleute, die im Sommer aus den in Smog und Hitze erstickenden Großstädten fliehen. Das kleine Paradies liegt im fernen Osten des indischen Subkontinents nördlich von Bangladesch. Die Idee zum Kurort hatten im 19. Jahrhundert die britischen Kolonialherren.

Foto: Herbert Schauer

Das Hochland von Meghalaya ist hügelig, das Klima kühl. Deshalb wurde es von den Engländern auch das "Schottland des Ostens" genannt. Früher war das Gebiet ein Teil Assams, seit 1972 ist es ein eigener Bundesstaat. Meghalaya heißt Wohnsitz der Wolken.

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Die hohe Luftfeuchtigkeit führt zu üppigem Grün, das sich besonders in den tief eingeschnittenen Tälern zur Gänze erhalten hat.

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Dem kleinen Ort Cherrapunjee wird sogar nachgesagt, einer der feuchtesten Orte der Erde zu sein. Außerdem liegt er fast am Ende der Welt. Etwas weiter südlich fällt das Land abrupt ab ... ins Nichts. Dieses tief unten liegende Tiefland gehört bereits zum südlichen Nachbarstaat Bangladesch.

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Während der Busfahrt kommt man immer wieder an gepflegten Friedhöfen der zum christlichen Glauben bekehrten Einheimischen vorbei. Sie liegen auf den Hügelkuppen - so bleiben die Verstorbenen vielleicht besser in Erinnerung.

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An der zum Teil senkrechten Geländekante bilden die Nohkalikai-Fälle einen der höchsten Wasserfälle der Welt. Zur Zeit der Aufnahme war Trockenzeit, also wenig Wasser. Während des Monsuns verzwanzigfacht sich die Wassermenge jedoch angeblich.

Foto: Herbert Schauer

Zurück in der Hauptstadt. Die architektonischen Spuren der Briten sind nicht zu übersehen. Eines der diesbezüglichen Highlights ist das hiesige "Raj Bhavan" - so werden die Regierungsgebäude indischer Bundesstaaten auf Hindi bezeichnet. Bis heute ist es die Residenz des Gouverneurs von Meghalaya. Nach einem Erdbeben wurde das heutige Gebäude 1905 laut den Originalplänen wieder errichtet.

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Auf den überfüllten Basaren im Zentrum der 400.000-Einwohner-Stadt merkt man deutlich: Hier ist Indien. In den Gassen tummeln sich Tag für Tag zehntausende Kaufwütige. Die Gesichter der Passanten sind jedoch meist keine indischen Gesichter. Der Großteil der Bevölkerung gehört dem Stamm der christlich missionierten Khasis an, bei denen das Matriarchat herrscht.

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Der Einzelhändler hat's! Angeboten wird hier alles. Haushaltswaren ebenso, wie Fleisch, Fisch oder ...

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... frisches Geflügel. Die Verkaufstheke ist improvisiert, Bedarf an Zertifikaten über Alter oder Herkunft des Tieres besteht keiner. Gekauft wird trotzdem en masse.

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In den extrem engen und steilen Marktgassen erfolgt die Zustellung nicht per Auto: Was auf Schultern Platz findet wird geschultert und zum Empfänger getragen.

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An neuralgischen Punkten warten die Träger im Dutzend mit ihren Trageseilen auf Kundschaft.

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Die Mischung ist es, die hierher lockt: Vertrautes Getümmel auf der einen Seite, ...

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... die Frische und Fülle des Angebots auf der anderen.

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Bogenschießen? Nein: Siat Khnam! Ein Brauch, der in Indien einzigartig ist.

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Beim Siat Khnam schießt rund ein Dutzend geübter Schützen vom Stamm der Khasis in zwei knapp aufeinander folgenden Durchgängen hunderte Pfeile auf einen Strohballen ab. Sie sind voll konzentriert, geben ihr Bestes. Nach einigen Minuten wird ein Vorhang aufgezogen, die Treffer werden gezählt.

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And the winner is ... Auf die letzten beiden Ziffern der dreistelligen Treffersumme wurde zuvor gewettet. Nicht nur der beste Bogenschütze gewinnt hier, sondern jeder Zuschauer, der mit seinem Tipp diese beiden Ziffern errät. Wettbüros wie dieses sind über die ganze Stadt verteilt.

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Ein anderer Volksbrauch erfreut sich nicht nur regionaler Bedeutung: das Kauen von Betel. Die leicht betäubende und stimulierende Droge ist am gesamten Subkontinent verbreitet. Die Blätter werden mit gelöschtem Kalk bestrichen (siehe Bild), mit klein gehackten Betel-Nüssen inklusive speziellen Gewürzen bestreut und zu kleinen Päckchen gefaltet. Ein Phänomen des mehrheitlich christlichen Shillong ist, dass hier auch Frauen als Verkäuferinnen fungieren.

Foto: Herbert Schauer

Immer wieder erstaunt der Kontrast zwischen Exotik, Kolonialstil und modernem Lebensstandard. Neben hübschen neuen Villen und Autos ...

Foto: Herbert Schauer

... geht es in der nächsten Gasse mit antiquarischer Transporttechnik bergab.

Foto: Herbert Schauer

Auch die Sauberkeitsstandards sehen nur ein paar Straßen weiter schon wieder ganz anders aus.

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Sie sind ohnehin kein leidenschaftliches indisches Thema: Hauptsache, es tut sich etwas!

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Bei der Verehrung seiner Göttern und Heiligen zeigt Shillong mehrere Gesichter. Auf der einen Seite die presbyterianische Religionskultur der Khasis: Die schmucken Kirchen sind natürlich Relikte der einstigen Kolonialmacht.

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Auf der anderen Seite die hinduistische Variante: die Darstellung zahlreicher Götter und ihrer noch zahlreicheren Erscheinungsformen - farbenprächtig und ohne jegliche Hemmung vor Kitsch. Hindus haben sich vor allem durch den Zuzug von Wirtschaftsmigranten aus armen Gegenden wie Bihar oder Nepal hier angesiedelt. Daneben gibt es auch einige Moscheen für die hier lebenden Muslims.

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Eine besondere Attraktion bildet der Wards Lake - ein im Jahr 1894 von den Kolonialherren künstlich angelegter See. Sehr beliebt ist er bei frisch Vermählten und den einheimischen Touristen, die aus dem heißen Flachland hierher zur Erholung flüchten. Ein Highlight der Anlage ist ihre Holzbrücke. Sie hat eine bemerkenswerte legendäre Entstehungsgeschichte. Ein von den Briten gefangen gehaltener Khasi erhielt von den Gefängniswärtern die Freiheit nach dem er den See mit dieser Konstruktion geschmückt hatte.

Foto: Herbert Schauer

Idyllen solcher Art sind aber nicht die Regel. Schon gar nicht im Straßenverkehr: Viele öffentliche Verkehrsmittel entsprechen keinesfalls dem heutigem Standard. Dieser Bus, für den man neben dem Fahrschein auch ein paar wirksame Stoßgebete (zu welcher höheren Macht auch immer) bereit haben sollte, ist noch immer unterwegs - zurück ins grelle heiße, indische Tiefland. (Herbert Schauer, derStandard.at, 25.02.2013)

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