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Eine Gewerkschafterin demonstriert für höhere Mindestlöhne. Es ist unklar, wie viele Menschen einen Job haben und gleichzeitig Mindestsicherung beziehen.

Foto: AP/Meissner

16 Kollektivverträge liegen in Österreich noch unter 1500 Euro.

Grafik: Standard

Setzt sich die Gewerkschaft mit ihrer Forderung nach einem Mindestlohn von 1300 Euro durch, würden Mitarbeiter in zahlreichen Branchen profitieren. Ein Überblick über die Niedriglohnbezieher.

Wien - Die relativ starke Inflation der vergangenen beiden Jahren (3,3 Prozent 2011, 2,4 Prozent 2012) hat die Entwicklung der Löhne zuletzt wieder stärker in den Fokus gerückt. Das Mindestlohnziel der Gewerkschaft wurde sukzessive von 1000 Euro auf 1300 Euro brutto angehoben. Beim ÖGB-Kongress im Sommer will die Gewerkschaft 1500 Euro als neue Untergrenze für Vollzeitjobs in ihre Forderungspapiere aufnehmen.

Tatsächlich wird noch immer in zahlreichen Branchen deutlich weniger bezahlt. Das geht aus der Beantwortung einer aktuellen parlamentarischen Anfrage des FP-Abgeordneten Herbert Kickl durch Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) hervor.

Unter der 1500-Euro-Grenze lagen zuletzt noch 16 Kollektivverträge. Es handelt sich um Daten mit Stand Oktober 2012. Laufende oder anstehende Lohnrunden wurden dabei nicht berücksichtigt, ebenso Zulagen, Sonderzahlungen oder Ähnliches.

Aber auch die 1300-Euro-Hürde wird von zehn Kollektivverträgen nicht genommen. In der Textilindustrie bekommen Hilfskräfte beispielsweise 1270 Euro brutto im Monat. Im Handel, wo immerhin mehr als eine halbe Million Menschen beschäftigt sind, verdienen Angestellte in der untersten Beschäftigungsgruppe 1263 Euro, Arbeiter und Angestellte der Stufe 2 kommen im Handel auf knapp über 1300 Euro.

Im Gastgewerbe, bei Friseuren, Konditoreien, Rechtsanwälten, Schuhmachern und Textilreinigungen muss einfachen Mitarbeitern ein Lohn oder Gehalt von unter 1200 Euro bezahlt werden. Die einzige Gruppe, die noch immer unter der alten Zielmarke von 1000 Euro liegt, sind die Zeitungszusteller.

Mindestlöhne stärker als Teuerung gestiegen

Wie viele Personen jeweils immer nur den KV-Mindestlohn bekommen, wissen die Statistiker im Sozialministerium nicht. Die dafür nötigen Daten über Verwendungsgruppen und etwaige Überzahlungen sind schlichtweg nicht vorhanden. Ebenso unklar ist, wie viele Menschen einen Job haben und gleichzeitig Mindestsicherung beziehen.

Wie haben sich die Mindestlöhne über die letzten Jahre entwickelt? Zumindest eine leichte Verbesserung lässt sich unter Berücksichtigung der Teuerung ausmachen. Im Jahr 2008 gab es noch neun Berufe, in denen weniger als 1000 Euro bezahlt werden mussten. Inflationsbereinigt entsprechen die 1000 Euro heute 1113 Euro. Unter dieser Grenze wären aktuell nur vier Gruppen. Von der alten Gewerkschaftsforderung nach einem Mindestlohn via Generalkollektivvertrag, also einem Rahmenwerk für alle Branchen, ist heute nur mehr wenig zu hören. Die im ÖGB mächtigen Teilgewerkschaften wollten sich hier nicht ins "Handwerk pfuschen lassen" , wie es in Gewerkschaftskreisen heißt.

Hohe Durchdringung

Die kollektivvertragliche Abdeckung ist in Österreich aber traditionell hoch. Insgesamt unterliegen 94 Prozent der Beschäftigten einem KV, am höchsten ist die Durchdringung in den Sparten Gewerbe, Handwerk, Industrie und Handel mit 98 beziehungsweise 99 Prozent.

Es gibt aber auch noch immer Branchen, in denen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht auf den Abschluss eines Kollektivvertrags einigen konnten. Das Sozialministerium führt unter anderem Zahntechniker, Mitarbeiter von Pensionskassen, von Flugschulen oder von Schieneninfrastrukturbetrieben an. (Günther Oswald, DER STANDARD, 5./6.1.2013)