Heino Ferch und Marie Bäumer als stolzes Hotelierspaar im "Hotel Adlon", ab Sonntag im ORF.

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Regisseur Uli Edel (Bild rechts) ging mit äußerster Sorgfalt vor.

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STANDARD: Durch Ihre Großtante haben Sie sogar persönliche Beziehungen zum Hotel Adlon?

Edel: Sie war als junges Mädchen in den Wintermonaten 1932/1933 im Hotel beschäftigt. Sie arbeitete in der Küche und erzählte lustige Episoden. Die Alteingesessenen machten sich mit ihr als einer Neuanfängerin einen Spaß und ließen sie erst mal "Mehl schneiden". Die Küche habe ich in den Dreiteiler nicht miteinbezogen, weil das sonst ein ganz anderer Film geworden wäre. Ich scheute mich auch, die Küche nachzubauen.

STANDARD: Wieso das?

Edel: Ich ließ die Lobby nachbauen und Teile der amerikanischen Bar, weil es die im neuen Adlon nicht mehr gibt. Das reichte.

STANDARD: Das Thema wurde Ihnen mehrfach angeboten. Wieso sagten Sie jetzt zu?

Edel: Das Hotel hat mich schon immer fasziniert. Ich wollte die Geschichte unbedingt erzählen, weil sich in seinen Wänden die Historie des Landes spiegelt. Das hat mich natürlich gereizt. Vor vielen Jahren arbeitete ich bereits einmal mit Wolfgang Petersen an dem Stoff, aber es wurde nichts daraus, weil wir mit dem Drehbuch auf keinen gemeinsamen Nenner kamen. Jetzt fragte Oliver Berben, und ich sagte sofort zu. Der Ansatz hier war viel interessanter, weil es sich um eine Mischung von Fiktion und Fakten handelte.

STANDARD: Gab es wirklich 35 Drehbuchentwürfe?

Edel: Das kann ich nicht behaupten. Ich bekam das Buch nach der dritten Version und habe zehn Monate daran gearbeitet. Nicht jede Änderung zählt als Entwurf.

STANDARD: Wozu brauchte es die fiktive Figur der Sonja Schadt?

Edel: Zuerst, weil die Geschichte aus der Sicht einer Frau erzählt werden sollte. Die Autorin Rodica Döhnert schildert drei Frauengenerationen über ein ganzes Jahrhundert, und die Figur der Sonja Schadt ist darin das Bindeglied. Sie kommt in dem Jahr auf die Welt, in dem der Grundstein gelegt wird für das Hotel. Später wohnt sie im Adlon, und als ältere Dame wird sie das wiedereröffnete Haus 1997 besuchen.

STANDARD: Drei Teile waren von Anfang an veranschlagt?

Edel: Es ging immer um die Idee, in drei Teilen durch das Jahrhundert zu gehen. Fast fünf Stunden zu erzählen geht ja weit über die Länge eines Kinofilms hinaus. Ich gehe leidenschaftlich gern ins Kino, aber drei Stunden überfordern mich. Da hilft es, wenn man diese Mischung aus Dichtung und Wahrheit zu Hilfe nimmt.

STANDARD: Und die drei Teile bekamen Sie auch sofort? Daran lassen sich Größe und Bedeutung eines Regisseurs bemessen: Dieter Wedel drehte in den besten Zeiten sechs Teile. Heute bekäme er die kaum. Sie stehen offenbar hoch im Kurs?

Edel: Ich habe bereits große internationale Zweiteiler gemacht, wie Julius Cäsar und Die Nebel von Avalon. Eine Geschichte in dieser epischen Breite zu erzählen ist aber etwas ganz anderes.

STANDARD: Wie bewältigen Sie derlei Großunternehmen logistisch?

Edel: Ich habe darin Übung, und hier war es einfach eine große Lust, 105 Charaktere zum Leben zu erwecken. Wenn die Zuschauer nur halb so viel Spaß dabei haben, wie wir ihn hatten, wird es ein sehr erfolgreicher Dreiteiler.

STANDARD: Fernsehen hat in den USA einen Qualitätsschub erfahren, der Ihnen gefallen müsste. Gibt's da vielleicht sogar Pläne?

Edel: In den Staaten hat sich viel verändert. Die Qualität im amerikanischen Fernsehen ist bedeutend höher als im Kino. Im Moment ist Fernsehen das bessere Kino. Leute wie Steven Spielberg, Martin Scorsese und Michael Mann sind völlig fasziniert von den Langformen, die dem Regisseur ganz andere Möglichkeiten des Erzählens geben. Es ist fast wie eine Befreiung. Die Sender versuchen, sich zu überbieten. Ich habe etwas in der Schublade, kann darüber aber noch nicht sprechen.

STANDARD: Schwappt das auf deutschsprachige Produktionen über?

Edel: Dazu bräuchte es Mut, und nun wissen wir, dass den deutschen Öffentlich-Rechtlichen oft der Mut fehlt. Die Leute wollen alle ihren Job behalten und haben nur Einschaltquoten im Auge. Ich glaube, man muss einfach interessante Geschichten erzählen. Ich inszeniere, wie ich den Film gerne als Zuschauer sehen würde. Das ist der wichtigste Maßstab.

STANDARD: Sie haben bei einer Folge von "Twin Peaks" Regie geführt. Wie kam es dazu?

Edel: Ich kannte David Lynch, und ich traf ihn im Hotel Chateau Marmont in Los Angeles. Er sagte: "Uli, was machst du denn da?" - "Ich suche einen Job", sagte ich. "Na, dann mach doch eine Folge für mich." Es war mein erster Job in den Staaten. (Doris Priesching, DER STANDARD, 5./6.1.2013)