Lässt harte Fäuste sprechen und sich dabei von keiner Witterung beirren: Einzelkämpfer Jack Reacher (Tom Cruise, re.) und ein unverbesserlicher Herausforderer (Jay Courtney).

Foto: Paramount

Wien - Die Botschaft, die ein des mehrfachen Mordes Verdächtiger auf einen Zettel kritzelt, ist so kurz wie rätselhaft: "Get Jack Reacher", steht da. Weder die Kriminalbeamten und der Staatsanwalt noch die Pflichtverteidigerin wissen mit dem Namen und der Person etwas anzufangen, die Suchmaschinen und die Datenbanken geben nichts her. Aber irgendwo im Land ist Reacher, ein maulfauler Ex-Militärpolizist, schon in den Bus gestiegen, um dem Ruf des Inhaftierten zu folgen.

Volksnahe Lebenspraxis

Die "Django hat Jahreskarte"-Assoziationen, die diese volksnahe Praxis der Fortbewegung weckt, sind zunächst einmal ganz passend: Der Held, der alsbald anbietet, bei der Aufklärung eines nur scheinbar eindeutig motivierten Verbrechens behilflich zu sein, zeigt anfangs noch ein gewisses Maß an Witz. Der Mann, der aus Prinzip ohne Gepäck reist und deshalb allabendlich eine schnelle Handwäsche an seinem Unterhemd vornimmt, ist aus gutem Grund ein Eigenbrötler. Eigentlich will er ja nichts als Ruhe. Wenn es ein Gegner aber partout nicht anders möchte, dann wird dieser eben mit Gewalt von bloßen Fäusten zur Ruhe gebettet.

Man hätte sich in dieser Rolle gut einen wie in Gran Torino knurrenden Clint Eastwood vorstellen können - trotz seines Alters. Oder einen mehr dem Charakterfach zuneigenden Actionheldendarsteller wie Bruce Willis oder Mark Wahlberg. Tatsächlich hat aber Tom Cruise den Part von Jack Reacher übernommen. Dessen Zugang bei der Ausgestaltung der Figur bleibt vordergründig, vor allem auf punktgenauen Körpereinsatz konzentriert. Aus Reacher macht das letztlich nicht mehr als einen reichlich unlustigen Selbstjustizadvokaten ("Sollten wir ihn nicht einer gerechten Strafe zuführen?" - "Hab ich grad gemacht.").

Je stärker dieser ins Zentrum rückt, desto mehr büßt der Film auch von jenem Thrill ein, den vor allem die zügig komponierte Eröffnungssequenz aufbaut: eine Scharfschützenattacke im öffentlichen Raum von Pittsburgh, der am helllichten Tag fünf Menschen zum Opfer fallen.

Einmal beweist Reacher wendige Überlegenheit gegenüber wild drauflosprügelnden Kerlen, die sich im blinden Kampfeseifer gleich einmal im Türrahmen eines Badezimmers verfangen - aber solche auch visuell ergiebigen Einfälle bleiben rar. Im letzten Abschnitt des Films kommt mit dem New-Hollywood-Veteranen Robert Duvall als Schießstandbetreiber immerhin noch ein verschmitzter Sidekick hinzu. Rosamund Pike und Richard Jenkins als antagonistisches Tochter-Vater-Gespann liefern nur Routine.

Inszeniert hat das Ganze Christopher McQuarrie, den man vor allem als Drehbuchautor wegen seiner langjährigen Zusammenarbeit mit Bryan Singer (Public Access, The Usual Suspects, Valkyrie) kennt. Jack Reacher ist erst die zweite Regiearbeit McQuarries. Der Titelheld ist aber eine gut eingeführte Figur, die sich der britische Kriminalschriftsteller Lee Child ausgedacht hat. Das erste Buch erschien 1997, der Kinofilm basiert nun auf One Shot, dem neunten, 2005 veröffentlichten Band von Reachers Abenteuern.

Besetzung mit Kalkül

Die lesende Fangemeinde meldete schon nach Bekanntwerden von Cruise' Engagement Bedenken an. Neben diesem Umstand sorgte im Vorfeld noch eine weitere Besetzungsentscheidung für Gesprächsstoff: Reachers eigentlichen Widersacher, einen mysteriösen russischen Zuwanderer, den seine Zeit im sibirischen Gulag rundum abgehärtet hat, verkörpert nämlich niemand Geringerer als der deutsche Filmemacher Werner Herzog.

Nach Betrachten seiner bemühten Ich-bin-wirklich-böse-Performance muss man allerdings sagen, dass dieser Kurzauftritt allenfalls als Lockmittel für ein cinephiles Publikum gemeint sein kann. Nicht nur Herzog wirkt hier wie im falschen Film. (Isabella Reicher, DER STANDARD, 4.1.2013)