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Angesichts bevorstehender Verhandlungen zur Reform parlamentarischer Untersuchungsausschüsse bewegt sich nun die SPÖ: Klubchef Josef Cap erklärt im STANDARD-Gespräch, dass er doch "gesprächsbereit" sei, den Verfassungsgerichtshof als Schlichtungsstelle einzurichten, wenn es zu Streit in den Untersuchungsgremien kommt: "Wichtig ist, dass man zu einem präzisen und arbeitsfähigen Modell findet - ich habe nichts gegen den Verfassungsgerichtshof als Schiedsstelle." Im Dezember hatte der Parlamentarier noch erklärt: "Eine Streitschlichtungsstelle muss im Haus angesiedelt sein."

Bisher kam es vor allem wegen umstrittener Zeugenladungen und geschwärzter Akten zu Streit - und zuletzt sogar wegen der Vorsitzführung von Gabriela Moser (Grüne). Cap avisiert nun einen Gesprächstermin mit den Klubchefs für die zweite Jännerhälfte - ab dann wird verhandelt.

Frage: Sind unsere Politiker so korrupt wie noch nie?

Antwort: Angesichts der Zahl der Regierungsmitglieder, die die Justiz derzeit im Visier hat, könnte dieser Eindruck beinahe entstehen, denn: Derzeit ermitteln die Ankläger wegen diverser Affären gegen den Kanzler, seinen Staatssekretär und drei Minister aus dem 18-köpfigen Koalitionsteam von Werner Faymann (SPÖ) und Michael Spindelegger (ÖVP). Allerdings müssen zuerst die Staatsanwaltschaften und später eventuell die Gerichte klären, ob die angezeigten Vorwürfe tatsächlich strafrechtlich relevant sind - und bis dahin gilt für alle die Unschuldsvermutung.

Frage: Warum läuft gegen Werner Faymann und Josef Ostermayer ein Ermittlungsverfahren?

Antwort: Wegen der altbekannten Inseratenaffäre, die auch im U-Ausschuss zu den Korruptionsaffären vor allem wegen Faymanns Absenz für Wirbel gesorgt hat. Aktuell sichtet die Staatsanwaltschaft Wien 75.000 Aktenseiten, die von Asfinag, ÖBB und dem Verkehrsministerium eingetroffen sind. Das kann dauern, erklärt Sprecher Thomas Vecsey. Erst danach könne die Behörde einen Vorhabensbericht erstellen, der dann an die Oberstaatsanwaltschaft und danach ans Justizministerium geht. Konkret geht es um den Verdacht, dass Faymann als Verkehrsminister staatsnahe Unternehmen wie die Asfinag und die ÖBB zu teuren Inseratenkampagnen angehalten hat, die diese dann selbst bezahlen mussten - er selbst weist die Vorwürfe zurück. Ebenso wie Ostermayer, einst Faymanns Kabinettschef, heute Medienstaatssekretär. Gegen ihn wird im gleichen Verfahren wegen des Verdachts auf Beihilfe zur Untreue ermittelt.

Frage: Wen haben die Ankläger noch im Visier?

Antwort: Wegen weiterer Inseratenaffären sind bei der Staatsanwaltschaft Wien zwei weitere Verfahren anhängig. Eines gegen Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) und eines gegen Verkehrsministerin Doris Bures (SPÖ). Bei Berlakovich geht es ebenfalls um den Verdacht der Untreue im Zusammenhang mit Schaltungen in der Zeitung des Bauernbundes, bei Bures um den Verdacht auf Beihilfe zur Untreue wegen der Vergabe einer Werbekampagne für höhere Verkehrssicherheit.

Frage: Bleibt noch ein Minister - was liegt gegen diesen vor?

Antwort: Bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft liegt gegen Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) eine Anzeige im Zusammenhang mit dem Verkauf von Heeresliegenschaften und der Anmietung von Alternativgebäuden vor. Der Verdacht lautet ebenfalls auf Untreue.

Frage: Tut diese Regierung überhaupt etwas gegen Korruption, wenn ihre Mitglieder selbst dermaßen ins Zwielicht geraten sind?

Antwort: Durchaus. Im Zuge des U-Ausschusses schnürte die Koalition ein Transparenzpaket - und seit 1. Jänner sind damit weitere neue Bestimmungen in Kraft: Bestechung von Regierungsmitgliedern, Landeshauptleuten, Abgeordneten und Bürgermeistern ist nun ebenso wieder strafbar wie das sogenannte "Anfüttern" von Beamten und Politikern - was seit 2009 weitgehend entkriminalisiert war. Bei Zuwiderhandeln riskieren Korruptionisten ab sofort bis zu fünf Jahre Haft.

Frage: Können damit endlich alle Sümpfe trockengelegt werden?

Antwort: Korruptionsexperten wie Franz Fiedler, einst Rechnungshofpräsident, nun bei Transparency International, bezweifeln das, weil: Beim Anfüttern, also dem Gewogenmachen von Amtsträgern durch Geschenke im Wert von über 100 Euro oder durch andere Zuwendungen, muss laut Gesetzestext "ein Vorsatz" bestehen, damit ein bestimmtes Geschäft einfädeln zu wollen. Damit werden Urteile erschwert, kritisiert Fiedler. Der Experte versteht unter Anfüttern jedenfalls schon das Stimmungmachen und Bodenaufbereiten für mögliche Korruption - und empfiehlt Politikern und Amtsträgern, am besten nur mehr die drei Ks anzunehmen, also: "Kulis, Kalender und sonstiges Klumpert".

Frage: Brechen nun auch für Lobbyisten schwere Zeiten an?

Antwort: Keineswegs. Lobbyisten müssen sich ab sofort zwar in ein Register eintragen, und auch Erfolgshonorare rund um Verträge mit dem Staat sind nun per Gesetz abgestellt, allerdings: Kammern, Gewerkschaften, Kirchen und vor allem Freiberufler wie Anwälte, Notare und Wirtschaftsprüfer sind von den neuen Regelungen weitgehend ausgenommen. Sie brauchen weiterhin keinerlei Angaben über Auftraggeber und Kundenstruktur zu machen. Und: Strafen bei Verstößen sind auch nicht vorgesehen.

Frage: Wird die Korruptionsstaatsanwaltschaft heuer wieder alle Hände voll zu tun haben?

Antwort: Davon ist auszugehen, denn: Zu alledem will Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) noch Erleichterungen für Whistleblower schaffen, also für Leute, die bereit sind, über Missstände auszupacken. Gemäß einem Modellversuch sollen sich Hinweisgeber bald anonym und direkt an die Korruptionsbekämpfer wenden können - gleichzeitig soll die Ermittlungsbehörde aber den Betreffenden auch Fragen zum Fall stellen können. Mit Stand 1. Jänner arbeiten übrigens 19 Staatsanwälte und ein halbes Dutzend Experten in der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft - bis 2014 soll auf bis zu 40 Planstellen aufgestockt werden.

Frage: Wann kommt endlich die U-Ausschuss-Reform, die parlamentarische Untersuchungen als Minderheitenrecht garantieren soll?

Antwort: Für die zweite Jännerhälfte bemüht sich SPÖ-Klubchef Josef Cap gerade um einen Termin mit den anderen Klubobleuten - und ab dann wird verhandelt. Im STANDARD-Gespräch kündigt Cap außerdem seine Gesprächsbereitschaft über den Verfassungsgerichtshof als neue Schlichtungsstelle bei Streits in U-Ausschüssen an: "Wichtig ist, dass man zu einem präzisen und arbeitsfähigen Modell findet - ich habe jedenfalls nichts gegen den Verfassungsgerichtshof als Schiedsstelle." Und: "Bei den Gesprächen müssen wir aber auch die Rolle der Parlamentspräsidenten klären." Bisher hat sich vor allem Cap gegen eine außerparlamentarische Schiedsstelle, konkret den Verfassungsgerichtshof, gewehrt.

Frage: Gibt es schon ein Modell, wo das Höchstgericht bei Streits in U-Ausschüssen einschreiten kann?

Antwort: Ja - und zwar in Deutschland. Beim großen Nachbarn reicht schon die Zustimmung von einem Viertel der Abgeordneten aus, um einen U-Ausschuss einzusetzen - und im Streitfall entscheidet dort das Bundesverfassungsgericht. (Nina Weißensteiner, DER STANDARD, 3.1.2013)